Häusliche Gewalt und Gesundheitswesen
Tagungsbericht
Unter dem Titel "Netzwerke gegen häusliche Gewalt – auch eine Aufgabe für das Gesundheitswesen" lud das Netzwerk Frauen/Mädchen und Gesundheit Niedersachsen gemeinsam mit dem Landespräventionsrat und der Ärztekammer Niedersachsen am 2. Juli 2003 nach Hannover ein – und rund 150 TeilnehmerInnen aus ganz Niedersachsen kamen.
In Niedersachsen arbeiten mehr als 80 Arbeitskreise und Runde Tische zum Thema Häusliche Gewalt. Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser, kommunale Frauenbeauftragte, Polizei und Justiz haben die neuen rechtlichen Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes und des polizeilichen Platzverweises von Gewalttäter aus der Wohnung zum Anlass genommen, konkrete Interventionsstrategien vor Ort zu entwickeln.
Noch wirken wenige Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen in diesen Netzwerken mit. Dabei stehen diese für die von Misshandlung Betroffenen an einer zentralen Schlüsselstelle: Viele misshandelte Frauen wenden sich weder an eine Beratungsstelle noch an die Polizei, aber sie vertrauen sich ihren Ärztinnen und Ärzten an.
Ziel der Veranstaltung war es, wichtige Kenntnisse über die medizinischen Folgen von häuslicher Gewalt zu vermitteln sowie die regionalen Kooperationen zu unterstützen und zu stärken, damit insgesamt die gesundheitliche Versorgung von gewaltbetroffenen Frauen noch effektiver ausgestaltet werden kann.
Herr Prof. Dr. Tröger, Leiter des Institutes für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover beschrieb die Spuren, die tätliche Angriffe hinterlassen und gab Hinweise, worauf zu achten ist, um die Verletzungen gerichtsverwertbar dokumentieren zu können. So beschrieb er, woran erkennbar ist, ob eine Frau lebensbedrohlich angegriffen wurde, auch wenn keine Kampfspuren zu erkennen sind. Er empfiehlt die fotografische Dokumentation mit Hilfe eines Längenmaßes bei Verletzungen.
Frau Dr. Traub, Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin der Wicker-Kliniken Bad Wildungen, führte die seelischen Folgen von häuslicher Gewalt vor Augen. Spaltungsmechanismen - wie den Körper nicht zu spüren, sich nicht mehr erinnern zu können - sind häufige Folgen. Sich als aktiv Handelnde wahrzunehmen, geht verloren. Handlungsunfähigkeit und Ohnmacht binden die Wut. Frauen mit Gewalterfahrungen haben oft schwere Selbstwertprobleme, Schwierigkeiten, sich abzugrenzen und ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Die Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt sich als Folge akuter Traumata. Symptome können sein: das Gefühl, von Erinnerungen an die Tat überschwemmt zu werden, Panikattacken oder Alpträume.
In der sich anschließenden interaktiven Sequenz diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anhand einer fiktiven Situation aus der medizinischen Praxis, wo Ansatzpunkte zur Kooperation zwischen den bestehenden Netzwerken gegen häusliche Gewalt und Fachkräften aus dem Gesundheitswesen bestehen. Dabei zeigte sich, dass es vereinzelt bereits positive Erfahrungen mit derartigen Kontakten gibt und dass insgesamt ein großer Bedarf nach einer intensiveren Zusammenarbeit mit Fachkräften aus dem Gesundheitswesen existiert.
Die abschließende Podiumsdiskussion machte deutlich, dass neue Wege gegangen werden müssen, um mit den Akteurinnen und Akteuren des Gesundheitswesens, speziell den Ärztinnen und Ärzten, eine kontinuierliche Kooperation zu etablieren. Dezentrale Fortbildungsangebote mit kurzen Wegen können das Interesse wecken, ein Vorstellen der Arbeit von Beratungs- und Interventionsstellen (BISS-Stellen), Frauenberatungsstellen, Frauenhäusern, der Arbeit der Polizei etc. in den Bezirksversammlungen der Ärzteschaft sowie Kontaktpflege jenseits der aktiven Mitarbeit an runden Tischen wären solche Wege. Von Bedeutung war nach einhelliger Ansicht ebenso, dass Arzthelferinnen und Krankenschwestern sowie Pflegepersonal in Netzwerkbildung und Fortbildung einbezogen werden sollten. Leitlinien als Instrumente der Veränderung wurden ebenfalls diskutiert. Zur Tagung wurde eine neue Materialie zur ärztlichen Schweigepflicht entwickelt. (us)
- Fragestellungen nicht nur für die Teilnehmenden - Download (PPT, 0,27 MB)
- Vortrag Prof. Dr. med.Tröger "Diagnostik und Spurensicherung - Häusliche Gewalt aus rechtsmedizinischer Sicht" - Download (DOC, 0,04 MB)
- Vortrag Frau Dr. med. Traub "Spuren in der Seele - Auswirkungen häuslicher Gewalt aus psychotherapeutischer Sicht" - Download (DOC, 0,04 MB)
- Folien zum Vortrag von Frau Dr. med. Traub - Download (DOC, 0,03 MB)
- Grafik "Netzwerke" - Download (PDF, 0,06 MB)
- Handout zur Vernetzung von Frau Buskotte "Erfahrungen mit Kooperationsgremien und Anforderungen an eine effektive Vernetzung" - Download (PDF, 0,07 MB)
- Infoblatt zur ärztlichen Schweigepflicht bei häuslicher Gewalt - Download (PDF, 0,02 MB)
Foto: Eine Frau, die auf dem Boden sitzt und verzweifelt ist. Schriftzug: Ohne Gewalt leben - Sie haben ein Recht darauf! Wer schlägt muss gehen!