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Explosion in Ritterhude (1) - Baurecht Tanklager, Betriebssicherheit

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Björn Försterling, Jan-Christoph Oetjen und Gabriela König (FDP) geantwortet.


Die Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Björn Försterling, Jan-Christoph Oetjen und Gabriela König (FDP) hatten gefragt:

Am 9. September 2014 gab es eine Explosion auf dem Gelände der Chemiefabrik Organo Fluid GmbH in Ritterhude, bei der ein Mitarbeiter tödlich verletzt wurde, große Teile der Fabrik und angrenzende Privatgebäude zerstört wurden.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie stellt sich die baurechtliche Zuständigkeit in Bezug auf das Tanklager dar?
  2. Welche behördlichen Entscheidungen, Aktivitäten und Überwachungen des Landkreises Osterholz und der Gemeinde Ritterhude hat es zum Tanklager gegeben?
  3. Welche Anforderungen an die Betriebssicherheit der Anlage bestehend aus Destillationsbetrieb, Feuerungsanlage und Tanklager sind behördlicherseits getroffen worden, und wie ist deren Einhaltung überwacht worden?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Rechtlich können Lager unterschiedlichen Anforderungen unterliegen; insbesondere dem Baurecht, der Betriebssicherheitsverordnung, früher Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande – VbF –, dem Wasserrecht sowie dem Immissionsschutz- und Abfallrecht.

In der Praxis werden auf ein Tanklager oftmals mehrere der o.g. Bereiche anzuwenden sein.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Dem Landkreis Osterholz obliegt die Zuständigkeit als untere Bauaufsichtsbehörde. Er unterliegt der Fachaufsicht durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) als oberste Bauaufsichtsbehörde. Bis Ende 2004 bestand eine weitere Ebene der Fachaufsicht bei der Bezirksregierung Lüneburg als obere Bauaufsichtsbehörde.

Zu 2.:

Die Verordnungen über überwachungsbedürftige Anlagen waren ursprünglich aufgrund § 24 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) erlassen worden. Zu diesen überwachungsbedürftigen Anlagen zählten auch Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten. Die Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande – VbF – vom 27.02 1980 sah gemäß § 9 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 die Erlaubnis von Anlagen zur Lagerung brennbarer Flüssigkeiten der Gefahren-Klassen AI, AII, und B vor.

Der Landkreis Osterholz hat in der betreffenden Angelegenheit am 19.01.1989 eine Erlaubnis gemäß § 24 GewO i. V. m. § 9 VbF hinsichtlich beweglicher Behälter erteilt. Diese sah eine Begrenzung auf 10m³ brennbarer Stoffe VbF-Klasse A I und 50m³ brennbarer Stoffe A II vor.

Die Regelungen der Vbf sind weitgehend durch die Bestimmungen der Betriebssicherheitsverordnung zum 01.01.2003 abgelöst worden.

Bis dahin und seit Erlass der Betriebssicherheitsverordnung waren bzw. sind die Kommunen zuständig für die Erteilung von erforderlichen Erlaubnissen zur Lagerung von brennbaren Flüssigkeiten. Die Überwachung der Bestimmungen der Betriebssicherheitsverordnung als auch der abgelösten VbF obliegt den Staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern.

Eingeschlossen in die Erlaubnis nach VbF war u. a. die Baugenehmigung des Landkreises Osterholz als untere Bauaufsichtsbehörde.

Im Rahmen dieser Erlaubnis erfolgte auch die wasserrechtliche Eignungsfeststellung gemäß des Niedersächsischen Wassergesetzes, dass die auf dem Betriebsgrundstück zu errichtenden Baulichkeiten (Umschlagplatz, Lagerhalle und Tanklager) für die Lagerung, das Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe (in ortsbeweglichen Behältnissen) geeignet sind. Im besagten Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass eine Anzeige gemäß § 5 der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) vorzulegen ist, wenn die Anlage verändert beziehungsweise andere wassergefährdende Stoffe gelagert, abgefüllt oder umgeschlagen werden sollten.

Bis zum 31.12.2004 war der Landkreis Osterholz für die wasserrechtliche Überwachung der Anlage zuständig. Gemäß den Bestimmungen der VAwS enthielt der o. g. Erlaubnisbescheid die Auflage, dass die gesamte Anlage (Lagerhalle) einschließlich der ortsbeweglichen Lagerbehälter, Abfüllplätze, Rohrleitungen, Ausrüstung und Auffangräume ordnungsgemäß und nach den Vorgaben der VAwS vor Inbetriebnahme und danach wiederkehrend, spätestens alle fünf Jahre, auf ihren ordnungsgemäßen und funktionssicheren Zustand von einem anerkannten Sachverständigen zu überprüfen waren. Die Prüfberichte waren der Unteren Wasserbehörde unverzüglich vorzulegen. Vor-Ort-Kontrollen wurden nach Auskunft des Landkreises Osterholz von diesem bis zum 31.12.2004 regelmäßig durchgeführt.

Zum 01.01.2005 ist die Zuständigkeit für die wasserrechtliche Überwachung der Anlage auf das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven übergegangen.

Die Gemeinde Ritterhude war weder für die Genehmigung noch für die Überwachung des Betriebs der Anlage wasserrechtlich zuständig.

Außerdem hat das Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven am 18.12.1989 eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zur Errichtung einer Feuerungsanlage mit einer Halle sowie dem Einbau eines Öltanks und am 28.08.1990 eine Genehmigung zur Inbetriebnahme der Feuerungsanlage erteilt. Eingeschlossen in diese Genehmigungen war u. a. die Baugenehmigung des Landkreises Osterholz als untere Bauaufsichtsbehörde.

Der Landkreis Osterholz berichtet, als untere Bauaufsichtsbehörde am 27.09.2000 eine Baugenehmigung für den Neubau eines Löschwasserbeckens, einer Lärmschutzwand und einer Zwischenhalle sowie die Dachaufstockung der vorhandenen Halle erteilt zu haben. Am 02.03.2001 habe er eine Nachtragsgenehmigung erteilt, die die Verlängerung der Schallschutzwand und die Überdachung einer Treppenanlage, eines Ganges und des Freilagers beinhaltete. Die genehmigten Bauvorlagen für die Nachtragsgenehmigung enthielten die Darstellung von zwei Behältern „Silo 1“ und „Silo 2“ mit der Bezeichnung „Dest. Wasser, h = 8.00 m“. Diese Behälter wären heute gemäß des Feuerwehrplans als „F-Reg 1“ und „F-Reg 2“ bezeichnet, je 21 m³ groß und enthielten nicht-brennbare regenerierte Hydrospülflüssigkeiten der Wassergefährdungsklasse 1.

Bauliche Anlagen oder Anlagen nach § 3 Abs. 5 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), von denen eine erhöhte Brandgefahr ausgeht oder von denen im Fall eines Brandes, einer Explosion oder eines anderen Schadensereignisses eine besondere Umweltgefährdung oder eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer größeren Anzahl von Menschen oder für erhebliche Sachwerte ausgehen würde, sind nach § 27 Abs. 1 Niedersächsisches Brandschutzgesetz (NBrandSchG) in regelmäßigen Zeitabständen auf ihre Brandsicherheit zu prüfen (Brandverhütungsschau). Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob Mängel vorliegen, die zu einer Brandgefahr führen können und ob Mängel vorliegen, die die Rettung von Menschen gefährden oder wirksame Löscharbeiten behindern können.

Der für die Durchführung der Brandverhütungsschau zuständige Landkreis Osterholz hat bei der Firma Organo-Fluid in regelmäßigen Zeitabständen Brandverhütungsschauen durchgeführt. Die letzten Brandverhütungsschauen hat der Landkreis Osterholz am 07.04.2005 und am 05.05.2010 durchgeführt. Die Abstellung der im Zuge der Brandverhütungsschau am 05.05.2010 festgestellten Mängel zeigte die Firma Organo-Fluid mit Schreiben vom 02.06.2010 dem Landkreis Osterholz an. Die Nachschau am 11.06.2010 hat die Abstellung der Mängel bestätigt.

Aufgrund der im Betrieb gelagerten brennbaren Stoffe wurde seitens des Landkreises Osterholz eine Sprinkleranlage gefordert. Diese ist mit Aufschaltung der Brandmelderzentrale zur Feuerwehr-Einsatz- und Rettungsleitstelle des Landkreises Osterholz am 22.12.2005 in den Vollbetrieb gegangen.

Auf dem Betriebsgelände der Firma Organo-Fluid haben in den letzten Jahren regelmäßig Begehungen mit der Führung der Freiwilligen Feuerwehr, teilweise mit Teilnahme des Brandschutzprüfers des Landkreises Osterholz stattgefunden. Die letzte Begehung erfolgte am 10.03.2014. Eine weitere war für September 2014 wieder vorgesehen.

Zu 3.:

Soweit Belange der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit betroffen sind, sind das Arbeitsschutzgesetz und die darauf gestützten Verordnungen, z.B. die Betriebssicherheitsverordnung, anzuwenden. Wesentlicher Bestandteil der Arbeitsschutzgesetzgebung ist die Gefährdungsbeurteilung, verantwortlich durchzuführen von der Arbeitgeberin / dem Arbeitgeber.

Anforderungen aus dem Arbeitsschutz können im betrieblichen Umweltschutz aufgrund § 5 Absatz 1 Nr.1 und Nr.2 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)- sonstige Gefahren - ergänzt bzw. erweitert werden.

Mit Schreiben vom 12.10.2006 ordnete das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven nach § 17 BImSchG eine sicherheitstechnische Prüfung gemäß § 29a BImSchG an.

Die Prüfung sollte eine Bewertung der Sicherheitstechnik beinhalten und folgende Fragen beantworten:

  • Bei welchem Betriebszustand können staubförmige Emissionen freigesetzt werden?
  • Welche Immissionen sind bei nicht bestimmungsgemäßem Betriebszuständen oder Betriebsunterbrechungen zu erwarten?
  • Wie können diese sicher technisch oder baulich und organisatorisch verhindert werden?
  • Ist die vorliegende Dokumentation des Anlagenbetriebs ausreichend?Mit Schreiben vom 28.12.2006 wurde dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven die Stellungnahme des TÜV Nord Systems GmbH & Co. KG übersandt. Die Stellungnahme des TÜV beinhaltet eine Zusammenstellung von Hinweisen und Maßnahmen, die vom Anlagenbetreiber umzusetzen waren. Die Zentrale Unterstützungsstelle Gewerbeärztlicher Dienst, Strahlen– und Verbraucherschutz (ZUS GSV) des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Hannover hat die Stellungnahme geprüft und als plausibel bewertet.
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Artikel-Informationen

erstellt am:
20.02.2015

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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