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25 Jahre Schwulenreferent: Niedersachsen ist Wegbereiter für den Abbau von Diskriminierungen und die „Ehe für alle“

Sozialministerin Rundt: „Es waren enorme Widerstände zu überwinden, jetzt sind wir auf dem Weg zu einer offenen und bunten Gesellschaft“


Vor genau 25 Jahren setzte die damalige Landesregierung den ersten Schwulenreferenten für Niedersachsen ein. Hans Hengelein (61) versieht diesen Job noch immer – und die Entscheidung des Bundestags am Freitag für eine „Ehe für alle“ sorgt dafür, dass seine Bilanz noch ein Stück positiver ausfällt. Niedersachsens Sozial- und Gleichstellungsministerin Cornelia Rundt, der heutige LSBTI*-Referent (lesbisch, schwul, bi-, trans-, intersexuell) des Landes Niedersachsen Hans Hengelein sowie drei Menschen, die sich seit Jahrzehnten für den Abbau von Diskriminierungen einsetzen, bezeichneten die „Ehe für alle“ heute in einer Pressekonferenz in Hannover als eine historische Entscheidung. Der Erfolg sei auch auf die Initiative Niedersachsens zurückzuführen und auf die Tatsache, dass das Land bereits 1992 den Abbau von Diskriminierungen gegen Homosexuelle als wichtiges politisches Handlungsfeld erkannt habe. Niedersachsen hatte den nun beschlossenen Gesetzentwurf zur „Ehe für alle“ mit in den Bundesrat eingebracht. Aktuell fördert es die Kampagne „Für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt* in Niedersachsen“.

In der Pressekonferenz kam auch Reinhard Lüschow zu Wort, der sich bereits an der legendären „Standesamtsaktion“ beteiligte: 250 schwule und lesbische Paare beantragten bundesweit und öffentlichkeitswirksam das Aufgebot zum Zwecke der Eheschließung. Das war ebenfalls vor 25 Jahren kurz nach Hengeleins Dienstantritt – der Schwulenreferent startete am 1. Juli 1992, die „Standesamtsaktion“ stieg am 19. August 1992. Reinhard Lüschow schaffte es schließlich gemeinsam mit seinem (bei der heutigen PK verhinderten) Partner, am 1. August 2001 in Hannover die bundesweit erste eingetragene Lebenspartnerschaft zu schließen – ein weiterer Etappensieg auf dem Weg zur Gleichstellung.

„Wir sehen heute, wie viel Vorarbeit zu leisten ist und wie viele Widerstände zu überwinden sind, damit sich Gesellschaft und Politik öffnen und solch eine historische Bundestags-Entscheidung für eine „Ehe für alle“ zu Stande kommen kann“, sagte Sozial- und Gleichstellungsministerin Cornelia Rundt. Die Entscheidung, 1992 einen Schwulenreferenten einzusetzen, sei von daher sehr vorausschauend gewesen, so Rundt: „All jenen, die sich hartnäckig und mit unglaublich langem Atem gegen Diskriminierung stemmen und für eine tolerante und bunte Gesellschaft einsetzen, gilt unser besonderer Respekt und Dank!“

Der erste Schwulenreferent des Landes hatte in einem ganz anderen gesellschaftlichen Klima seinen Dienst aufgenommen. Damals gab es noch den § 175 StGB, der einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte. Die Streichung dieses Paragraphen 1994 ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Anti-Diskriminierung. Monika Lehmann und Gisela Rademacher, die heute ebenfalls bei der Pressekonferenz Rede und Antwort standen, zählen zu denen, die sich über den gesamten Zeitraum für eine rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften einsetzten, auch im kirchlichen Bereich. Sie sind seit rund 30 Jahren ein Paar und ließen 2002 ihre Partnerschaft eintragen – nun begrüßen sie die Entscheidung, dass auch sie mit vollen Rechten und Pflichten heiraten können.

„Mit Blick auf die Bundestags-Entscheidung für die „Ehe für alle“ fällt mir ein großer Stein vom Herzen“, sagte Hans Hengelein: „Ich habe die gesamte Entwicklung von der Standesamtsaktion 1992 bis heute sowohl privat als auch beruflich begleitet – damit ist die staatliche Diskriminierung Homosexueller jetzt endlich beendet.“ Dass diese Bundestags-Entscheidung jetzt mit den „25 Jahre Schwulenreferent in Niedersachsen“ zusammenfalle, sei schon ein besonderes emotionales Erlebnis, so Hengelein: „Als ich angefangen habe, gab es noch den Paragraphen 175 StGB, der einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen homosexuellen Männern unter Strafe stellte – wir haben in dieser Zeit also schwerwiegende Diskriminierungen beendet, jetzt müssen wir noch gemeinsam Vorbehalte in den Köpfen abbauen.“

Das soll u.a. mit der Kampagne „Für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt* in Niedersachsen“ erreicht werden, für die der Landtag im Doppelhaushalt 2017/18, zusätzliche Mittel in Höhe von 1,1 Mio. Euro zur Verfügung gestellt hat (Infos unter www.q-nn.de/kampagne). „Wir sind jetzt am Übergangweg von der Antidiskriminierungspolitik über die Gleichstellungpolitik hin zur Förderung von Vielfalt in Niedersachsen“, sagte Sozialministerin Cornelia Rundt: „Der Satz ,Ich bin genauso anders wie Du´ bringt die Sichtweise, die wir gerne in Bezug auf die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt transportieren möchten, auf den Punkt. Vielfalt ist eine Stärke unserer Gesellschaft.“ Das Land fördert diesen Prozess auf vielfältige Art und Weise. Es hat u.a. für die Kommunen ein Programm aufgelegt, mit dem in 2017 und 2018 die Zusammenarbeit der LSBTI*-Gruppen, Jugendämter, Jugendhilfe sowie der Frauen- und Gleichstellungsstellen qualitativ intensiviert werden kann.

Zur Historie:

Niedersachsen ist Vorreiter im Kampf gegen die Diskriminierung von Homosexuellen: Bei der 1992 von der damaligen Landesregierung geschaffenen Stelle eines Schwulenreferenten handelte sich um die erste Stelle dieser Art in einem Flächenland. Dass bei diesem Thema in einer Behörde wie dem Sozialministerium zu Beginn zwei Welten aufeinander trafen, zeigt sich u.a. an der Bezeichnung der Stelle: Im Behördenjargon wurde damals ein „Referent für männliche homosexuelle Lebensweisen“ eingestellt. Das Thema „Lesbenpolitik“ wurde hingegen dem damaligen Frauenministerium zugeordnet – diese beiden thematisch eng miteinander verbundenen Zuständigkeiten waren also in unterschiedlichen Ministerien angesiedelt. Vergleichbare Strukturen gab es zu dieser Zeit nur im Stadtstaat Berlin.

Als erstes Bundesland fasste die Niedersächsische Landesregierung am 22. März 1994 einen Beschluss zum „Abbau der Diskriminierung lesbischer Frauen und homosexueller Männer“, der auch richtungsweisend schon ein Programm für Maßnahmen der Landesverwaltung und Landeseinrichtungen umfasste. Auch für die Polizei wurden umfassende Maßnahmen zur Anti-Diskriminierung eingeleitet.

Als Konsequenz dieses Kabinettsbeschlusses legte das Sozialministerium bundesweit die ersten Studien zu den Themen „antischwule Gewalt“, „Lesben und Schwule in der Arbeitswelt“ und „Zur Lebenssituation schwuler Jugendlicher“ vor. In all diesen Feldern betrat das Land forschungspolitisches Neuland. Entsprechende Studien zur Unterfütterung politischen Handelns gab es zu diesem Zeitpunkt (zwischen 1995 und 2001) nicht oder nur rudimentär.

Bereits in einem niedersächsischen Kabinettsbeschluss von 1993 hatte es vorausschauend geheißen: „Die Landesregierung setzt sich weiterhin dafür ein, dass gleichgeschlechtliche Paare entweder eine Ehe miteinander schließen oder eine gesetzlich neu zu schaffende Art rechtlich geregelter Lebensgemeinschaft begründen können.“

Im März 2013 hatte die damals neue Landesregierung zusammen mit anderen Bundesländern einen Gesetzesantrag zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts in den Bundesrat eingebracht, damit dieser an den Bundestag weitergeleitet wird. Im Juni 2013 nahm der Niedersächsische Landtag zudem die Entschließung „Diskriminierung Homosexueller beenden – vollständige Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft herstellen“ an. Auch im September 2015 zählte Niedersachsen wieder zu den Antragstellern des erneut eingebrachten Gesetzentwurfes im Bundesrat für die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe – dieser wurde am Freitag vom Bundestag beschlossen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
03.07.2017

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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