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Matthias Lange/Nils Pagels: Verwaltung: Schwierige Diskussion

Interkulturelle Kompetenz in Kommunalverwaltung und Gemeinwesenarbeit


Seit einigen Jahren wird in vielen bundesdeutschen Kommunen über Wege, Sinn und Bedeutung von Prozessen zur interkulturellen Öffnung debattiert und gestritten.

Vor diesem Hintergrund hat die Stadt Göttingen als Träger einer Employment-INTEGRA-Stelle am 30.9. und 1.10.1999 eine Fachtagung unter dem Titel "Interkulturelle Kompetenz in Kommunalverwaltung und Gemeinwesenarbeit" organisiert. 125 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus mehr als 50 Städten Deutschlands kamen, um sich mit den notwendigen Schritten hin zu einer interkulturellen Öffnung auseinander zu setzen.

In die Fachtagung sind Erfahrungen eingeflossen, die die Stadt Göttingen seit etwa zwei Jahren mit einem Modellprojekt zur "Interkulturellen Öffnung der kommunalen Beratungsangebote" gemacht hat. Dieses Modellprojekt wird im Rahmen der Europäischen Gemeinschaftsinitiative "Employment-INTEGRA" durchgeführt und ist Bestandteil des niedersächsischen INTEGRA-Gesamtprojektes zur beruflichen Integration von Flüchtlingen und Migrantinnen und Migranten, das von der Universität Oldenburg koordiniert und geleitet wird.

In der Diskussion über interkulturelle Kompetenz bzw. über interkulturelle Öffnung geht es sehr diffus zu. Die gemeinsame Diskussionsgrundlage scheint häufig lediglich in dem stillschweigenden Konsens zu bestehen, dass das Thema schon "irgend etwas" mit Ausländerinnen und Ausländern zu tun habe, und damit, wie die Einheimischen mit ihnen umgehen. Dass diese Unklarheiten problematisch sein können, wird spätestens dann klar, wenn man versucht, mit anderen über die Aufgaben einer "Interkulturellen Öffnung" ins Gespräch zu kommen. Dann wird man schnell feststellen, dass sehr viele unterschiedliche Dinge damit angesprochen werden.

Die einen sprechen von interkultureller Öffnung nur in dem Zusammenhang der Einstellung von Migrantinnen und Migranten in Kommunalverwaltungen, andere meinen mit interkultureller Kompetenz schlicht Mehrsprachigkeit, für wieder andere sind interkulturelle Konflikte und ihre kompetente Bearbeitung ein Aspekt des Themenfeldes ‚alltäglicher Rassismus‘. Und schließlich wird die Meinung vertreten, dass sich eine interkulturelle Öffnung von kommunalen Diensten fast automatisch ergeben würde, wenn nur Konzepte wie die Neuen Steuerungsmodelle in Kommunen oder das Prinzip der Bürgerinnen- und Bürgerorientierung konsequent umgesetzt werden. Bei der Nennung dieser Beispiele bleibt noch völlig unberücksichtigt, dass selbstverständlich auch die grundlegende Einschätzung der gesellschaftlichen Rolle von Migrantinnen und Migranten eine erhebliche Rolle dafür spielt, welche Ziele mit einer interkulturellen Öffnung verfolgt werden.

Die Tagung sollte dazu dienen, ein bisschen mehr Klarheit in der wichtigen Diskussion zu schaffen, was auf Kommunen eigentlich zukommt, die sich mit einer interkulturellen Öffnung beschäftigen wollen. In vier thematischen Bereichen (1. Personalmanagement und Fortbildung, 2. Gemeinwesenarbeit, 3. Kinder- und Jugendarbeit, 4. Beschäftigungsförderung) wurde schnell deutlich, dass nicht alle Probleme, die es im Verhältnis zwischen Verwaltung und Migrantinnen und Migranten gibt, auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen sind. Als ein Ergebnis der Fachtagung lässt sich deshalb formulieren: Es bestand weitgehend Einigkeit darüber, dass man sich nicht dazu verleiten lassen darf, alle Probleme, die im Verhältnis zwischen den Behörden und den ausländischen Kundinnen und Kunden bzw. zwischen Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten bestehen, durch den Einsatz der angeblichen "Wunderwaffe" interkulturelle Kompetenz beseitigen zu wollen. Hierbei besteht die Gefahr, dass viele soziale, politische und materielle Aspekte ausgeblendet und einer Einteilung der Migrantinnen und Migranten in "Kulturen" Vorschub geleistet wird, die dazu führen können, dass viele strukturelle Benachteiligungen als "kulturell verursacht" gelten und dementsprechend den Betroffenen zugeschrieben werden.

Für den Prozess einer interkulturellen Öffnung heißt das, dass man sich weder auf den unbestreitbar wichtigen Aspekt der Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterschulung noch auf die alleinige Ausrichtung auf die ebenso wichtige Einstellung von Migrantinnen und Migranten beschränken kann. Interkulturelle Öffnung bedeutet für Kommunen, sich sowohl um die individuelle Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne einer wirklichen Kundenorientierung zu bemühen, als auch den Sozialraum des Gemeinwesens so zu gestalten, dass eine gesellschaftliche Partizipation von Migrantinnen und Migranten möglich wird.

Die Fachtagung in Göttingen hat gezeigt, dass sich in Zukunft kaum eine Kommune der Auseinandersetzung um die Frage einer interkulturellen Öffnung wird entziehen können.

Die Dokumentation kann zu einem Kostenpreis von 15,– DM zuzügl. Porto bei der Stadt Göttingen, Amt für Beschäftigungsförderung, 37070 Göttingen, bestellt werden.

Dr. Matthias Lange, Nils Pagels, Mitarbeiter im Projekt INTEGRA der Stadt Göttingen

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