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Plenum 21. September - Mündliche Anfragen

Frage 86: Kostenrisiko der Apotheker bei Verordnungen für Asylbewerber



Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage des Abgeordneten Volker Meyer (CDU) geantwortet.


Der Abgeordnete Volker Meyer (CDU) hatte gefragt:


Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstige zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren.

Ändert sich der Status eines Asylbewerbers, ändert sich nicht nur der Leistungsumfang, sondern auch der Kostenträger. Seitens der Apothekerschaft wird beklagt, dass bei der Belieferung von Verordnungen für Asylbewerber für die Apotheke nicht erkennbar sei, ob der jeweilige Patient überhaupt noch nach den Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes leistungsberechtigt ist. Häufig werde die Erstattung seitens des Landkreises verweigert, weil eine Kostenträgerschaft nicht mehr bestehe. Den die Verordnung ausstellenden Ärzten sei die Änderung der Kostenträgerschaft oft nicht bekannt, sodass der falsche Rezeptvordruck verwendet werde.

1.Weshalb tragen die Apotheken das Kostenrisiko, wenn sie in gutem Glauben eine Verordnung einlösen, obwohl tatsächlich ein Erstattungsanspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht mehr besteht?

2.Welche Verantwortung hat die Ärzteschaft bei der Ausstellung von Verordnungen für Asylsuchende bzw. Asylberechtigte für die Verwendung des richtigen Vordrucks?

3.Wie ließe sich das geschilderte Problem lösen, sodass die Apotheken für erbrachte Leistungen auch bezahlt werden?


Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Bei der Belieferung von ärztlich verordneten Arzneimitteln können Probleme bei der Kostenerstattung auftreten, wenn bei der Empfängerin oder dem Empfänger des Arzneimittels ein Rechtskreiswechsel vom AsylbLG zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) stattgefunden hat, die Abrechnung aber noch auf der Grundlage des AsylbLG gegenüber dem zuständigen Sozialamt erfolgt. Das kann dazu führen, dass Sozialämter den Leistungsanspruch nach §§ 4, 6 AsylbLG (nachträglich) ablehnen und die an sich zur Kostenübernahme verpflichtete Krankenkasse den Anspruch ebenfalls ablehnt, weil dieser nach Ablauf einer vereinbarten Abrechnungsfrist geltend gemacht wurde.

Das Apothekengesetz (ApoG) formuliert in § 1 den Grundsatz, dass den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung obliegt. Zudem regelt die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) in § 17 die apothekenrechtlichen Voraussetzungen für die Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Aus § 17 Abs. 5 ApBetrO ergibt sich die Pflicht der Apotheke, das Vorliegen der entsprechenden Abgabevoraussetzungen zu prüfen. Die Apotheke führt damit als letzte Kontrollinstanz vor dem Endverbraucher eine Endkontrolle durch. Diese Prüfung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der zentralen Funktion der Apotheken nach § 1 ApoG und dient in erster Linie der Arzneimitteltherapiesicherheit. Diese Absicht des Verordnungsgebers wird in den weiteren Ausführungen des § 17 Abs. 5 ApBetrO deutlich. Wenn nämlich eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum enthält oder sich sonstige Bedenken ergeben, darf das Arzneimittel nur abgegeben werden, wenn vorab die Unklarheit beseitigt ist. Die Beseitigung der Unklarheiten und Bedenken erfolgt in der Regel durch Rücksprache der Apotheke mit der verschreibenden Ärztin oder dem Arzt. Eben der der Ärztin oder dem Arzt bekannte Kostenträger, mit dem diese die ärztlich erbrachten Leistungen abrechnen, wird auch auf der Verschreibung angegeben.

Die für Asylbewerberinnen und -bewerber ordnungsgemäß ausgestellten Verschreibungen lassen für die abgebende Apotheke im Hinblick auf den Kostenträger keinen Irrtum oder Bedenken erkennen, soweit ein Kostenträger angegeben ist und dessen Zuständigkeit zusätzlich durch Vorlage einer Bescheinigung mit Angabe des Aktenzeichens und der Gültigkeitsdauer bestätigt wird.

Zu 1.:

Sofern infolge von Anerkennung und Rechtskreiswechsel tatsächlich kein Erstattungsanspruch nach dem AsylbLG mehr besteht, ist der Erstattungsanspruch bei der zuständigen Krankenkasse geltend zu machen. Das gilt auch dann, wenn vom ursprünglich zuständigen Kostenträger vor Anerkennung ein Behandlungsschein ausgegeben wurde, auf dessen Grundlage der Arzt die Behandlung vorgenommen und die Verordnung ausgestellt hat. Soweit bekannt, ist es jedoch vorgekommen, dass Krankenkassen eine Kostenübernahme nach Ablauf einer vereinbarten Abrechnungsfrist abgelehnt haben.

Zu 2.:

Die Ärzteschaft hat bei der Ausstellung von Verordnungen für Asylsuchende bzw. Asylberechtigte die gleiche Verantwortung zu tragen wie sie sie für alle Patientinnen und Patienten im Rahmen der Behandlung tragen. Dazu zählt auch die entsprechende Auswahl der Verordnungsvordrucke.

Zu 3.:

Das Problem ist an den Schnittstellen der Informationsweitergabe zu sehen und betrifft zunächst das Verhältnis Apotheken / Krankenkassen mit den Zwischenstationen Landkreise oder kreisfreie Städte und Jobcenter. Daher erscheint es sinnvoll, zunächst in dem Verhältnis Apotheken / Krankenkassen Gespräche über eine Kostenübernahme zu führen. Darüber hinaus hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport bereits Gespräche mit dem Landesapothekerverband Niedersachsen geführt und begleitende Maßnahmen ergriffen. So wurden die zuständigen Kostenträger nach dem AsylbLG darüber informiert, dass die den Apotheken durch die Ausgabe eines medizinisch verordneten Medikaments oder Hilfsmittels entstandenen Kosten grundsätzlich im ärztlich verordneten Umfang zu erstatten sind. Weiter wurde klargestellt, dass eine Beschränkung der freien Apothekenwahl rechtlich unzulässig ist und Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG verordnete Arznei- und Hilfsmittel auch bei Apotheken beziehen dürfen, die außerhalb der zur Wohnsitznahme zugewiesenen Kommune betrieben werden. Für weitere Gespräche hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport dem Landesapothekerverband Niedersachsen den Kontakt zur Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände als zuständigem Ansprechpartner und Vertreter für die kommunalen Leistungsbehörden vermittelt.

Aus Sicht des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ist es als sinnvoll zu erachten, wenn der Landesapothekerverband Niedersachsen für seine verbandsangehörigen Apotheken den Kontakt mit den Landesverbänden der Krankenkassen in Niedersachsen aufnimmt, weil die Landesverbände der Krankenkassen in Niedersachsen in Vertretung für die Krankenkassen entsprechende Versorgungsverträge abschließen. Soweit sich also ein Anpassungsbedarf bei den vertraglichen Regelungen zur Abrechnung von Arzneimitteln ergibt, könnte dieser zwischen dem Landesapothekerverband Niedersachsen und den Landesverbänden der Krankenkassen erörtert werden und ggf. vertragliche Anpassungen vorgenommen werden.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
21.09.2017

Ansprechpartner/in:
Naila Eid

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