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"Wird die Landesregierung sicherstellen, dass alle Kinder rechtzeitig geimpft werden können?"

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage


Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Volker Meyer, Gudrun Pieper, und Annette Schwarz (CDU) geantwortet.

Die Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Volker Meyer, Gudrun Pieper, und Annette Schwarz (CDU) hatten gefragt:

Nach einem Bericht von NDR.de vom 30. Oktober 2015 haben Kinderärzte in Niedersachsen derzeit große Probleme, an Impfstoffe zu gelangen. Engpässe gebe es demnach bei sogenannten Mehrfachimpfungen. Die Situation werde sich bis zum Jahreswechsel weiter verschärfen, heißt es weiter. Einige Impfungen müssten wahrscheinlich verschoben werden, da die Hersteller nicht mehr liefern könnten. Da neben den einheimischen Kindern momentan auch viele Flüchtlingskinder zum Teil aufwendig behandelt würden, würden Auffrischungsimpfungen deshalb vielfach ins kommende Jahr verschoben. Das gelte ebenso für die sogenannte Immunisierung von Säuglingen.

Mehrere Produzenten hätten bereits angekündigt, zum Jahresende bestimmte Impfstoffe nicht mehr liefern zu können, etwa gegen Diphterie, Keuchhusten und Kinderlähmung. Der Gesetzgeber müsse in der jetzigen außergewöhnlichen Situation daher schnell handeln und die Hersteller verpflichten, genügend Impfstoffe bereitzustellen.

1. Wie beurteilt die Landesregierung diese Situation?

2. Welche Impfungen erhalten Flüchtlingskinder nach dem Impfkonzept der Landesregierung, und wie viele Flüchtlingskinder wurden im Jahr 2015 bereits geimpft?

3. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, damit alle Kinder rechtzeitig die benötigten Impfungen erhalten können?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Laut Arzneimittelgesetz (§ 52 b AMG) müssen pharmazeutische Unternehmen und Großhandel für zugelassene und im Verkehr befindliche Arzneimittel eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung des Arzneimittels sichern, damit der Bedarf von Patientinnen und Patienten im Geltungsbereich des Gesetzes gedeckt ist.

Die Herstellung eines biologischen Arzneimittels, wie Impfstoffe unterliegt einem aufwendigen und langwierigen Prozess. Produktionserhöhungen sind nicht kurzfristig umsetzbar. Produktionsausfälle können verschiedene Ursachen haben und zur Sicherstellung der Arzneimittelsicherheit und Qualität im Einzelfall auch erforderlich sein.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) veröffentlicht seit Oktober 2015 erstmalig auf seinen Internetseiten (www.pei.de) eine Übersicht zu Lieferengpässen von Human-Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten. Dies erlaubt Fachkreisen und der Öffentlichkeit jederzeit einen Überblick und zudem einen schnellen Zugang zu Informationen über erwartete und bestehende Versorgungsengpässe mit Impfstoffen. Die Liste beruht auf der Basis der freiwilligen Meldung der Zulassungsinhaber. Zusätzlich werden mögliche Impfstoff-Alternativen und Handlungsempfehlungen aufgeführt, damit trotz Lieferengpass im Einzelfall eine Versorgung möglich ist. Darüber hinaus werden von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) zusätzliche Hinweise gegeben und auf der Internetseite www.rki.de veröffentlicht.

Ein Lieferengpass ist definiert als eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung des Herstellers im üblichen Umfang oder eine unerwartete, deutlich vermehrte Nachfrage, der vom Hersteller nicht angemessen nachgekommen werden kann. Wie groß der Bestand an verfügbaren Impfstoffdosen in den Filialen des pharmazeutischen Großhandels, in einzelnen Apotheken oder Arztpraxen ist, wird damit nicht erfasst.

Zu 1.:

Bei den vom PEI aufgeführten Lieferengpässen handelt sich um deutschlandweite Lieferengpässe. Die Situation ist damit nicht auf Niedersachsen beschränkt, sondern es handelt sich um ein nationales bzw. auf Grund der global operierenden Pharmaunternehmen um ein internationales Problem. Die Landesregierung ist in regelmäßigem Kontakt mit der Bundesregierung und begrüßt die Initiativen der Bundesoberbehörden, Lieferengpässe zeitnah zu kommunizieren und Alternativen aufzuzeigen.

Sie stimmt der Bundesregierung insofern zu, dass Lieferengpässe nicht zwangsläufig mit medizinischen Versorgungsengpässen gleichzusetzen sind. Zwar führen Lieferengpässe zu einem erhöhten Aufwand auf Seiten der Behandler und Gesundheitsdienstleister, insbesondere in Krankenhäusern und Apotheken. Allerdings stehen häufig alternative Arzneimittel zur Verfügung (Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage vom 21. Oktober 2015, Drucksache 18/6444).

Die Landesregierung begrüßt ferner, dass dieses Thema auch im Pharmadialog der Bundesregierung mit Wissenschaft, Wirtschaft sowie Zulassungsbehörden intensiv diskutiert wird.

Unabhängig von diesen Initiativen und Möglichkeiten kann dies für den Einzelfall momentan bedeuten, dass Kinder auf Grund nicht zur Verfügung stehender Kombinationsimpfstoffe unter Umständen häufiger geimpft oder Impftermine verschoben werden müssen. Die Landesregierung rechnet jedoch mit einer Entspannung der Situation innerhalb der nächsten Wochen, da nach Angaben des PEI einzelne Präparate wieder ab November 2015 zur Verfügung stehen sollen.

Die Landesregierung weist in diesem Kontext darauf hin, dass die derzeitige Situation nicht auf die Flüchtlingssituation zurückzuführen ist. Insbesondere für den Impfstoff gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis), der Bestandteil in vielen Kombinationsimpfstoffen ist, wird der Lieferengpass laut Robert Koch-Institut (RKI) auf die Änderung der weltweiten Strategie zurückgeführt. Die Weltgesundheitsorganisation hat zum Erreichen der globalen Eradikation der Poliomyelitis einen neuen Strategieplan für den Zeitraum 2013 bis 2018 erarbeitet, dessen wesentlicher Baustein der weltweite Umstieg von Schluckimpfung (OPV für orale Polio-Vakzine) auf zu injizierende Impfung (IPV für inaktivierte Polio-Vakzine) ist, wie dies in Deutschland bereits seit 1998 empfohlen ist. Dies bedeutet, dass bis Ende 2015 weitere 120 Länder zumindest eine IPV-Dosis in ihr Routineimpfprogramm eingeführt haben sollten und es daher zu einem international erhöhten Bedarf an IPV gekommen ist.

Zu 2.:

Das RKI hat in Abstimmung mit der STIKO ein Impfkonzept für Flüchtlinge entwickelt und im Epidemiologischen Bulletin Nr. 41 vom 12. Oktober 2015 veröffentlicht. Dieses hat zum Ziel, praktikabel und priorisiert allen Flüchtlingen ein Impfangebot machen zu können.

Die Landesregierung unterstützt dieses Impfkonzept und empfiehlt dessen zeitnahe Umsetzung. Insbesondere das Impfangebot für Kinder und Jugendliche ist von großer Wichtigkeit, da für diese Personengruppe zu befürchten ist, dass sie in Krisengebieten nicht mehr durch Impfprogramme erreicht wurde, und auch eine natürliche Immunität zu einem hohen Prozentsatz nicht gegeben ist. Sollte in den Einrichtungen eine Priorisierung erforderlich werden, so ist diese daher nach Alter zu setzen. Je jünger die Person, desto wichtiger die empfohlenen Impfungen.

In Niedersachsen sind alle Schutzimpfungen nach den von der STIKO erteilten Empfehlungen öffentlich empfohlen. Darüber hinaus wird die Schutzimpfung gegen Influenza für Kinder ab dem sechsten Lebensmonat sowie für Jugendliche und für Erwachsene jeden Alters öffentlich empfohlen.

Im Einzelnen werden im Konzept des RKI folgende Impfungen für Kinder aufgeführt.

Alter zum Zeitpunkt der 1. Impfung

2 bis einschließlich 8 Monate

Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ b, Hepatitis B

9 Monate bis einschließlich 4 Jahre

Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ b, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken

5 Jahre bis einschließlich 12 Jahre

Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken

Kinder ab 13 Jahre

Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis, Masern, Mumps, Röteln

Kinder mit chronischen Krankheiten

Influenza

Optional

Influenza für alle Asylsuchenden

Das oben genannte Impfkonzept vom 12. Oktober 2015 ist den Erstaufnahmeeinrichtungen der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) sowie den Notunterkünften Mitte Oktober mit der Bitte um Umsetzung bekanntgegeben worden.

An den Standorten Braunschweig und Bramsche der LAB NI werden bereits Impfungen im Rahmen der Erstuntersuchungen durchgeführt. Am Standort GDL Friedland wird dies ebenfalls angestrebt; hier finden noch Verhandlungen mit den Kliniken, die auch die Erstuntersuchungen durchführen, statt.

Auch in vielen Notunterkünften des Landes sind entweder die Impfungen in Vorbereitung oder bereits angelaufen.

Da zunächst die organisatorischen Voraussetzungen für die Durchführung der Impfungen geschaffen werden mussten, liegen noch keine umfassenden Erkenntnisse über die Anzahl der durchgeführten Impfungen vor.

Zu 3.:

Auf die Vorbemerkung und die Antwort der Frage 1 wird verwiesen. Ein möglicher Lieferengpass ist nicht mit einem medizinischen Versorgungsengpass gleichzusetzen. Die Impfungen sind grundsätzlich nicht gefährdet, eventuell müssen Nachholtermine für zu verschiebende Impftermine oder mehrere Einzelimpfungen in Anspruch genommen werden.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.11.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger

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