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Wie sinnvoll ist die Einführung einer Meldepflicht in Niedersachsen für alle durch Zecken übertragenen Erkrankungen?

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Volker Meyer, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU) geantwortet.


Die Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Volker Meyer, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU) hatten gefragt:

Zu den durch Zecken übertragenen Erkrankungen zählen sowohl die Frühsommer-Meningoenzephalitis als auch die Infektionskrankheit Lyme-Borreliose, wobei bei letztgenannter Erkrankung bisher noch keine Schutzimpfung möglich ist. Das Robert-Koch-Institut registriert seit Jahren einen bundesweiten Anstieg an Fällen der Frühsommer-Meningoenzephalitis. Um anhand flächendeckender, epidemiologischer Daten gezielt entsprechende Präventions- und Schutzmaßnahmen ergreifen zu können, ist in mehreren Bundesländern eine einheitliche Meldepflicht bei allen durch Zecken übertragenen Erkrankungen landesrechtlich vorgeschrieben. Die Ausbreitung der Zecken betrifft auch Niedersachsen. Die durch Zecken übertragenen Erkrankungen stellen eine erhöhte Gefahr für die niedersächsische Bevölkerung dar.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Inwieweit ist die Einführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Meldepflicht bei allen durch Zecken übertragenen Erkrankungen vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen von neun anderen Bundesländern sinnvoll?
  2. Wie kann eine einheitliche Meldepflicht bei allen durch Zecken übertragenen Erkrankungen in Niedersachsen umgesetzt werden?
  3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bisher zur Vorbeugung, Bekämpfung und Behandlung der durch Zecken übertragenen Erkrankungen ergriffen, und welche werden derzeit durchgeführt?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Zecken gehören zur Klasse der Spinnentiere und sind blutsaugende Parasiten. In Deutschland gibt es verschiedene Arten, die häufigste Zecke ist Ixodes ricinus (Gemeiner Holzbock). In Deutschland kommen diese Zecken in allen Gegenden bis zu einer Höhe von ca. 2000 m in freier Natur (Wald, Buschwerk, Wiesen), aber auch in innerstädtischen Bereichen (Parks, Gärten) vor.

Zecken können grundsätzlich eine Vielzahl von Infektionskrankheiten auf den Menschen übertragen. Im Wesentlichen werden durch den Stich dieser Spezies jedoch zwei verschiedene Erkrankungen übertragen:

1. die durch das Bakterium Borrelia burgdorferi ausgelöste Lyme-Borreliose und

2. die durch Viren bedingte Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).

Für die Lyme-Borreliose besteht in ganz Deutschland ein Infektionsrisiko. Anders ist dies für die FSME. Wie hoch das regionale FSME-Risiko ist, ermittelt das Robert Koch-Institut (RKI) jährlich, basierend auf den gemeldeten FSME-Fällen. Bereits seit 2001 besteht für den direkten oder indirekten Nachweis des FSME-Virus eine bundesweite Meldepflicht. Rechtsgrundlage für diese Meldepflicht ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Anhand dieser Meldungen weist das RKI FSME-Risikogebiete aus, die auch die Grundlage für die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission am RKI bilden.

Der größte Anteil der FSME-Risikogebiete liegt zurzeit in den südlichen Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Thüringen, Rheinland-Pfalz und Saarland haben sich als Gebiete mit erhöhter endemischer Aktivität etabliert, sodass dort ebenfalls einige Landkreise und kreisfreie Städte als FSME-Risikogebiet gelten. Seit 2014 gilt außerdem ein Landkreis in Sachsen als Risikogebiet.

Niedersachsen wird als Bundesland mit vereinzelt auftretenden FSME-Erkrankungen (sog. autochthone Fälle) ausgewiesen, in dem jedoch kein Landkreis die Definition für ein FSME-Risikogebiet erfüllt. Die aktuelle Darstellung der FSME-Risikogebiete enthält das Epidemiologische Bulletin Nr. 15/2014 (www.rki.de). Bei Regionen, die nicht als FSME-Risikogebiete deklariert sind, besteht bezüglich einer FSME im Allgemeinen kein Infektionsrisiko. Eine Infektion kann jedoch auch dort nicht vollkommen ausgeschlossen werden.

Die auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes seit 2001 gemeldeten Fallzahlen für den Nachweis des FSME-Virus zeigen deutliche Schwankungen: Gab es nach den Daten des RKI im Jahr 2012 einen deutlichen Rückgang der registrierten Erkrankungen in Deutschland (195 Fälle nach 423 Fällen im Jahr 2011), sind die Meldefälle 2013 wieder auf 411 gestiegen. Für das Jahr 2014 wurden bundesweit 281 Fälle gemeldet. Daraus kann abgeleitet werden, dass rückläufige Fallzahlen in einem Jahr keinen Rückschluss auf die reale Gefahr oder die Bedrohung für die Folgejahre zulassen. In Niedersachsen wurden seit dem Jahr 2001 jährlich zwischen null und sechs Fälle gemeldet, zuletzt im Jahr 2014 ein Fall.

Im Unterschied zur FSME besteht für die Lyme-Borreliose und deren Erreger Borrelia burgdorferi keine einheitliche, durch das Infektionsschutzgesetz geregelte Meldepflicht. Insoweit liegen keine flächendeckenden, epidemiologischen Daten hierüber vor. In den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind die Erkrankung und der Tod an Borreliose seit vielen Jahren auf der Grundlage von Rechtsverordnungen nach § 15 Abs. 3 IfSG meldepflichtig, wobei die Meldepflichten unterschiedlich ausgestaltet sind. Im Sommer 2011 wurde im Saarland und in Rheinland-Pfalz ebenfalls eine Meldepflicht eingeführt. Am 01. März 2013 trat ferner in Bayern eine Meldepflicht in Kraft, die allerdings auf fünf Jahre begrenzt ist.

Die Landesregierung hat die Einführung entsprechender Meldepflichten in den vergangenen Jahren bereits mehrfach geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Meldepflicht für die Lyme-Borreliose nicht eingeführt werden sollte. Auch der Niedersächsische Landtag hatte sich bereits mehrfach mit Eingaben befasst, mit denen das Anliegen verfolgt wurde, bundesweit eine Meldepflicht für Infektionen mit der Lyme-Borreliose zu erreichen. Zuletzt hat sich der Landtag im April 2013 mit der Frage befasst und sich im Ergebnis einstimmig der ablehnenden Haltung der Landesregierung angeschlossen.

Die Pflicht zur Meldung bestimmter übertragbarer Krankheiten dient in erster Linie dazu, den Gesundheitsbehörden möglichst frühzeitig Informationen zur Bekämpfung akuter Gefahren zu liefern, so dass schnell zum Schutz Dritter gehandelt werden kann und weitere Erkrankungsfälle verhindert werden können. Ob die Erkrankungen von Mensch zu Mensch übertragbar sind, ist für die Einführung einer Meldepflicht nachrangig. Entscheidend sind vielmehr die möglichen Bekämpfungsmaßnahmen. So kann bei Auftreten von Q-Fieber die Exposition, wie zum Beispiel eine betroffene Schafherde, ermittelt werden, mit der Folge, dass auf die Herde bezogene bekannte Präventionsmaßnahmen überprüft und eingeleitet werden können. Im Falle des Auftretens von Botulismus können unter Umständen Lebensmittel als Ursache ermittelt und aus dem Verkehr gezogen werden.

Bei der FSME, die nur in bestimmten Regionen vorkommt, bildet die Kenntnis der Verbreitung von Erkrankungsfällen die Grundlage für die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission. Diese beschränkt sich derzeit auf den süddeutschen Raum.

Für Borreliose werden entsprechende Voraussetzungen nicht erfüllt. Auch positive Erfahrungen aus anderen Bundesländern sind der Landesregierung nicht bekannt. Die Bundesländer, in denen eine Meldepflicht vorgeschrieben ist, können – bis auf eine bessere Datenlage – keine weiteren Erkenntnisse beitragen, wie auf dieser Grundlage Fälle verhindert oder chronische Verläufe vermindert werden können, und zwar weder im konkreten Einzelfall noch unter bevölkerungsmedizinischen Gesichtspunkten. Die Empfehlungen in den Bundesländern mit Meldepflicht und ohne Meldepflicht unterscheiden sich nicht. Zu den wichtigsten Maßnahmen für die Prävention einer Borreliose-Infektion gehört es, den Körper nach einem Aufenthalt im Wald und auf der Wiese auf Zecken zu untersuchen und diese in geeigneter Weise zu entfernen. Es wird außerdem dazu geraten, bei einem Aufenthalt im Freien, insbesondere beim Durchstreifen des Unterholzes oder einer Wiesenfläche, möglichst helle Kleidung zu tragen, die den Körper vollständig bedeckt. Auch festes Schuhwerk ist sinnvoll. Darüber hinaus können zeckenabweisende Hautschutzmittel eingesetzt werden. Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt informiert regelmäßig über das Krankheitsbild, die möglichen Präventionsmaßnahmen und stellt entsprechende Materialien zur Verfügung.

Gegen eine Meldepflicht auf der Grundlage einer Rechtsverordnung bestehen zudem rechtliche Bedenken: Der Erlass einer Verordnung auf der Grundlage des § 15 Abs. 3 IfSG wäre in erster Linie dann zu erwägen, wenn eine bundesweit geltende Regelung nicht zweckmäßig ist, etwa bei regional begrenzt auftretenden übertragbaren Krankheiten. Dies ist bei der Lyme-Borreliose nicht der Fall. Erkrankungen mit dem Erreger kommen im gesamten Bundesgebiet vor, so dass nach Ansicht der Landesregierung der Bund eine solche Verordnung erlassen müsste. Wie sich ferner aus den Gesetzesmaterialien ergibt, sind die Verordnungsermächtigungen des § 15 IfSG vorwiegend für Eil-Fälle gedacht. Zur wirksamen Bekämpfung übertragbarer Krankheiten sollte auch die Meldepflicht schnell an eine unerwartete und nicht vorhersehbare epidemische Lage angepasst werden können, weil hierfür das Verfahren zum Erlass eines Änderungsgesetzes zu langwierig und schwerfällig erschien. Im Hinblick auf die Borreliose ist dies jedoch nicht erforderlich, da der Erreger und mögliche Präventionsmaßnahmen bekannt sind. Daher kann und sollte die Entscheidung, ob eine Meldepflicht für Lyme-Borreliose eingeführt wird, ausschließlich dem Bundesgesetzgeber überlassen bleiben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1. und 2.:

Für den direkten oder indirekten Nachweis des FSME-Virus besteht bereits eine bundesweite Meldepflicht auf Grundlage der Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz. Eine Meldepflicht für die Lyme-Borreliose stellt nach Ansicht der Landesregierung kein sinnvolles Instrument dar, um den Schutz der Bevölkerung vor dieser Infektion weiter zu verbessern. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu 3.:

Die Landesregierung sieht ihre Aufgabe in erster Linie darin, die Bevölkerung und die Fachöffentlichkeit über die Risiken der Übertragung von Erkrankungen durch Zecken und über die möglichen vorbeugenden Maßnahmen zu informieren und aufzuklären. Da im Falle einer Infektion eine Therapie möglichst frühzeitig begonnen werden sollte, richten sich die Information und Aufklärung auch an die Ärzteschaft. Das Landesgesundheitsamt nimmt diese Aufgabe in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, wie zum Beispiel der Universitätsmedizin Göttingen, wahr. An beiden Institutionen stehen in Niedersachsen Expertinnen und Experten zur Verfügung, die sich mit Fragen zur Epidemiologie, Prävention, Diagnostik, Krankheitsverlauf und Therapie laufend befassen.

Auch wenn Niedersachsen zurzeit nicht als FSME-Risikogebiet ausgewiesen wird, hat das Landesgesundheitsamt Studien initiiert, um das tatsächliche FSME-Risiko in Niedersachsen besser abschätzen zu können. Dazu gehört, dass Forstbedienstete regelmäßig auf FSME-Antikörper untersucht werden. Seit 2013 wird darüber hinaus ein landesweites Zeckenmonitoring unter Mithilfe der Niedersächsischen Landesforsten durchgeführt. So wurden in 2013 an über 500 Stellen in ganz Niedersachsen von Forstmitarbeiterinnen und -mitarbeitern Zecken gesammelt, kartiert und vom Landesgesundheitsamt auf die Prävalenz von FSME-Viren, Borrelia-Bakterien und weiteren relevanten Erregern (z. T. stichprobenartig) untersucht.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.02.2015

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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