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"Notdienstambulanz der Universitätsklinik Göttingen"

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage


Welche Auswirkungen hätte eine Organisation des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes als abhängige Beschäftigung auf die Leistungsfähigkeit
der Notdienstambulanz der Universitätsklinik Göttingen sowie die ambulante medizinische Notfallversorgung der Bevölkerung?


Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriele Andretta (SPD) geantwortet.

Die Abgeordnete Dr. Gabriele Andretta (SPD) hatte gefragt:

Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung überprüft aktuell, ob die am kassenärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte der Notdienstambulanz in der Universitätsklinik Göttingen als abhängig Beschäftigte zu gelten haben. Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass dies der Fall sei, und begründet diese Bewertung mit der grundsätzlichen Organisationsstruktur des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes bzw. mit der Notdienstordnung.

Nun wird die Sorge geäußert, dass diese Organisationsstruktur als abhängige Beschäftigung zu einer deutlichen Verschlechterung der ambulanten medizinischen Notfallversorgung der Bevölkerung führen könnte. Gerade in ländlichen Gebieten könne auch die rettungsdienstliche Versorgung gefährdet sein, weil hier teilnehmende Notärztinnen und Notärzte - regelhaft auf Honorarbasis tätig - ebenfalls die Kriterien der Deutschen Rentenversicherung als abhängig Beschäftigte erfüllen würden.

Im ambulanten Notdienstbereich würde die Verzahnung der dringend notwendigen und bereits erfolgreich umgesetzten ambulant/stationären Versorgung konterkariert. Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst wurde weitgehend schon an Krankenhäuser angeschlossen, um hier sowohl die Versorgungsqualität als auch die Erreichbarkeit und Effizienz der Notdienstversorgung zu verbessern. Darüber hinaus sollten „Fehlinanspruchnahmen“ von spezialisierten Krankenhausabteilungen im Notdienst reduziert werden, um sowohl die Kosten der GKV als auch die personelle Überforderung dieser Bereiche zu verringern. Patienten und Patientinnen müssten dann im Notdienst wieder die individuellen Praxen der Notdiensthabenden (auf-)suchen oder würden Krankenhausambulanzen dann wieder direkt als „Notfall“ in Anspruch nehmen. Im Hausbesuchsdienst ist es üblich, Patientinnen und Patienten, die eine Ambulanz nicht aufsuchen können, direkt zu Hause zu behandeln.

Ebenso muss zur Sicherstellung der Versorgung eine ständige Erreichbarkeit der/des diensthabenden Ärztin/Arztes gewährleistet sein. Auch das soll nach Auffassung der Deutschen Rentenversicherung Kennzeichen einer abhängigen Beschäftigung sein.

1. Wie findet gegenwärtig die Abgrenzung zwischen dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst und dem Rettungsdienst statt?

2. Wie bewertet die Landesregierung das Vorhaben der Deutschen Rentenversicherung, die am kassenärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte als abhängig Beschäftigte zu definieren?

3. Teilt die Landesregierung die Sorge, dass eine solche Regelung in letzter Konsequenz eine Verschlechterung der ambulanten medizinischen Notfallversorgung bewirken könnte? Wenn ja, welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die Freiberuflichkeit in der Notfallambulanz zu erhalten?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Zu 1.:

Alle Kassenärztlichen Vereinigungen betreiben ärztliche Bereitschaftsdienste. Diese stellen sicher, dass Patientinnen und Patienten im Krankheitsfall auch außerhalb der regulären Praxisöffnungszeiten, also auch nachts, an Feiertagen und am Wochenende, eine niedergelassene Ärztin bzw. einen niedergelassenen Arzt kontaktieren können (§ 75 Abs. 1b S. 1 SGB V). Der Bereitschaftsdienst, der für dringliche, aber nicht akut lebensbedrohliche Fälle zuständig ist, ist vom Rettungsdienst abzugrenzen, der in lebensbedrohlichen Notfällen und Erkrankungen Hilfe leistet.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist zu erreichen unter der einheitlichen Rufnummer 116 117.

Die Rechtsgrundlage für den Rettungsdienst bildet das Niedersächsische Rettungsdienstgesetz (NRettDG). Die Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes sind gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 NRettDG die Landkreise und kreisfreien Städte und die Städte Cuxhaven, Göttingen, Hameln und Hildesheim (kommunale Träger) für ihren jeweiligen örtlichen Zuständigkeitsbereich, im Übrigen obliegt dem Land die Zuständigkeit für die Luftrettung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 NRettDG). Die Träger haben im Rahmen des in § 2 NRettDG definierten Sicherstellungsauftrages für den Rettungsdienst als medizinische, funktionale und wirtschaftliche Einheit die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen für die Notfallrettung (einschließlich Großschadenslage), den Intensivtransport und den qualifizierten Krankentransport sicherzustellen. Vor allem die Landkreise bedienen sich dazu in der Regel sog. Beauftragter; dies sind in Niedersachsen überwiegend die Hilfsorganisationen. Die Alarmierung des Rettungsdienstes erfolgt grundsätzlich über die jeweilige Rettungsleitstelle als Einsatzzentrale für den Rettungsdienst unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer 112.

Zu 2.:

Bei dem geschilderten Sachverhalt handelt es sich vermutlich um ein derzeit anhängiges Statusfeststellungsverfahren.

Gem. § 28p Abs.1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) prüfen die Träger der Rentenversicherung mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen.

Hierbei prüfen diese insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Beitragsmeldungen. Diese Prüfungen schließen auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden, mit ein. In diesem Zusammenhang wird auch bewertet, ob bei diesen Personen die Voraussetzungen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegen oder ob evtl. eine sogenannte „Scheinselbständigkeit“ anzunehmen ist.

Daneben besteht für den betroffenen Personenkreis die Möglichkeit der Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Dieses hat zum Ziel, den Beteiligten außerhalb der Arbeitgeberprüfung Rechtssicherheit darüber zu verschaffen, ob eine selbständige oder abhängige Beschäftigung vorliegt (Statusfeststellungsverfahren gem. § 7a SGB IV). Für die Durchführung dieses Verfahrens ist die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund zuständig.

Nach Kenntnisstand der Landesregierung sind bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung mit Sitz in Niedersachsen derzeit keine Betriebsprüfungen in der Universitätsklinik anhängig.

Weder im Sozialgesetzbuch noch in den spezialgesetzlichen Vorschriften über die Versicherungspflicht werden die im Regelfall für das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zugrunde zu legenden Prüfmaßstäbe näher definiert.

Die Rechtsprechung hat daher in der Vergangenheit die Merkmale einer Beschäftigung und diejenigen einer selbständigen Tätigkeit sowie die Grundsätze, nach denen die festgestellten Tatsachen gegeneinander abzuwägen sind, in einer umfangreichen Rechtsprechung entwickelt. Ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, wird durch die DRV jeweils im konkreten Einzelfall, unter Würdigung der Gesamtumstände, betrachtet und bewertet.

Die Rechtsauffassung der Rentenversicherungsträger unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung im Rechtsmittelverfahren vor den Sozialgerichten.

Gleiches gilt für etwaige Feststellungen der Clearingstelle der DRV Bund im sogenannten „Statusfeststellungsverfahren“.

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung führt über die DRV Oldenburg-Bremen und Braunschweig-Hannover die Rechtsaufsicht. Die Rechtsaufsicht über die DRV Bund obliegt dem Bundesversicherungsamt in Bonn.

Zunächst bleibt abzuwarten, ob tatsächlich durch die DRV Bund festgestellt wird, dass es sich bei der Tätigkeit im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt.

Zu 3.:

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind gemäß § 75 Abs. 1 SGB V verpflichtet, die flächendeckende ambulante ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Zur Sicherstellung gehören ein den Bedarf deckendes Versorgungsangebot sowie die Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Bereitschaftsdienst). Der Inhalt des von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu gewährleistenden Versorgungsumfangs wird durch die Leistungen definiert, welche die gesetzlichen Krankenkassen ihren Mitgliedern aufgrund ihrer kollektivvertraglichen Bindungen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung gewähren. Ob der Sicherstellungsauftrag mit angestellten oder freiberuflich tätigen Ärzten erfolgt, ist dabei irrelevant.

Eine Feststellung durch die DRV Bund, dass es sich bei der Tätigkeit im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst in einem Einzelfall um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt, müsste zu einer Überprüfung der vertraglichen Gestaltung vergleichbarer Fälle führen. Die Landesregierung tritt dafür ein, die Bereitschaft von Ärztinnen und Ärzten, im kassenärztlichen Bereitschaftsdienst nebenberuflich tätig zu werden, zu erhalten. Derzeit sind in Niedersachsen jedoch keine spürbaren Probleme festzustellen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.11.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger

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