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Pflegereform tritt am 1. Januar 2017 in Kraft – Die Neuerungen im Überblick

Ministerin Rundt: „Das neue Pflegestärkungsgesetz bringt viele Verbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen mit sich, keiner wird schlechter gestellt“


Wer bereits Leistungen aus der Pflegeversicherung bezieht, wird per Gesetz automatisch in das neue System übergeleitet und wird in Zukunft nicht weniger Geld bekommen als bisher. Das betont Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt anlässlich des Inkrafttretens der Pflegestärkungsgesetze II und III am Neujahrstag 2017. „Ich bin froh, dass das neue Pflegestärkungsgesetz nun in Kraft tritt. Auch wenn noch einige ,Baustellen' bestehen bleiben, enthält das Gesetz deutliche Verbesserungen. Das gilt besonders für die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs in der Hilfe zur Pflege. Mir ist wichtig, dass pflegebedürftige Menschen, die Sozialhilfe beziehen, am Ende nicht schlechter dastehen als andere Pflegebedürftige.“ Cornelia Rundt hatte sich in Berlin mit Nachdruck für Verbesserungen für Pflegebedürftige eingesetzt, vieles davon findet sich in dem Gesetz wieder.

„Alle, die bereits pflegebedürftig sind und Geld aus der Pflegeversicherung erhalten, werden das auch weiterhin mindestens in gleichem Umfang bekommen – die allermeisten sogar deutlich mehr“, erklärt die Niedersächsische Sozialministerin. Die 2,8 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland müssten sich aufgrund der Überleitungsregelungen keine Sorgen machen, es werde eine reibungslose Überführung in das neue System sichergestellt, ohne dass es zu einer erneuten Begutachtung kommen müsse.

Für Menschen, die bis Ende 2016 einen Antrag auf Pflegeleistungen gestellt haben und daher noch nach dem bisherigen Begutachtungsverfahren eingestuft wurden, gelten einfache Übergangsregeln. Menschen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen werden automatisch in den nächsthöheren Pflegegrad übergeleitet. Menschen, bei denen geistige oder psychische Einschränkungen vorliegen und bei denen daher bis Ende 2016 eine erhebliche Beeinträchtigung der Alltagskompetenz festgestellt wurde, kommen automatisch in den übernächsten Pflegegrad.

Hier die Neuregelungen im Rahmen des Pflegestärkungsgesetzes II im Überblick (unter Verwendung von Textbausteinen des Bundesgesundheitsministeriums):

  • Fokus auf Selbständigkeit im Alltag
    Zukünftig geht es in der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) nicht mehr darum, bei dem pflegebedürftigen Menschen einen Zeitaufwand für alltägliche Verrichtungen zu ermitteln, sondern darum, wie selbständig er bei der Bewältigung seines Alltags ist. In sechs Bereichen werden dazu die individuellen Beeinträchtigungen und Fähigkeiten der bzw. des Pflegebedürftigen erfasst. Diese Bereiche sind: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.

  • Individuellere Pflege für alle Pflegebedürftigen
    Statt drei Pflegestufen wird es künftig fünf Pflegegrade geben. Diese orientieren sich an dem Grad der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten. Je schwerwiegender die Beeinträchtigungen, desto höher der Pflegegrad. Durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff können die individuellen Beeinträchtigungen und Fähigkeiten der Pflegebedürftigen umfassender und genauer erfasst werden. Dadurch können die Leistungen der Pflegeversicherung passgenauer eingesetzt werden.

  • Gleichberechtigte Leistungen für Demenzkranke
    Die Belange der rund 1,6 Millionen Menschen mit einer demenziellen Erkrankung in Deutschland werden bereits bei der Einstufung in einen Pflegegrad gleichberechtigt berücksichtigt. In Zukunft werden körperliche, geistige und psychische Beeinträchtigungen gleichermaßen erfasst und in die Einstufung einbezogen. Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt begrüßt das ausdrücklich: „Endlich wird auch Demenz als eine der folgenschwersten und häufigsten Alterserkrankungen angemessen als gesundheitlich bedingte Einschränkung der Selbstständigkeit anerkannt.“

  • Weniger Bürokratie für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen
    Verwaltungsvereinfachungen entlasten Versicherte und Pflegebedürftige von Bürokratie. So soll das Gutachten des Medizinischen Dienstes zur Einstufung in einen Pflegegrad künftig den Betroffenen automatisch zugehen (mit Widerspruchsmöglichkeit).

  • Steigender Beitragssatz der Pflegeversicherung
    Um die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die damit verbundenen Leistungsverbesserungen zu finanzieren, steigt der Beitragssatz der Pflegeversicherung zum 1. Januar 2017 um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 % bzw. 2,8 % für Kinderlose.

    Mit dem Pflegestärkungsgesetz III sollen zum 1. Januar folgende weitere Änderungen in Kraft treten:

  • Sicherstellung der Versorgung

    Die Länder sind für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen Versorgungsinfrastruktur in der Pflege verantwortlich. Dazu können sie Ausschüsse einrichten, die sich mit Versorgungsfragen befassen. Mit dem PSG III sollen die Pflegekassen nun verpflichtet werden, sich an Ausschüssen zu beteiligen, die sich mit regionalen Fragen oder sektorenübergreifender Versorgung beschäftigen. Die Pflegekassen müssen Empfehlungen der Ausschüsse, die sich auf die Verbesserung der Versorgungssituation beziehen, künftig bei Vertragsverhandlungen einbeziehen.

  • Beratung

    Die Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen vor Ort soll verbessert werden. Dazu sollen Kommunen mit dem PSG III für die Dauer von fünf Jahren ein Initiativrecht zur Einrichtung von Pflegestützpunkten erhalten. Darüber hinaus sollen sie künftig Beratungsgutscheine der Versicherten für eine Pflegeberatung einlösen können. Ergänzend zu ihren eigenen Beratungsaufgaben in der Hilfe zur Pflege, der Altenhilfe und der Eingliederungshilfe sollen sie auch Pflegebedürftige, die Pflegegeld beziehen, beraten können, wenn diese das wünschen. Außerdem sind Modellvorhaben zur Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen durch kommunale Beratungsstellen in bis zu 60 Kreisen oder kreisfreien Städten für die Dauer von fünf Jahren vorgesehen. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen dadurch eine Beratung aus einer Hand erhalten zu allen Leistungen, die sie in Anspruch nehmen können. Ministerin Cornelia Rundt begrüßt die stärkere Rolle der Kommunen, für die sie sich im Vorfeld eingesetzt hatte, hätte sich allerdings noch eine weitgehendere Regelung gewünscht: „Damit die benötigten Hilfen auch zielgerichtet bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen ankommen, wird durch das PSG III die Pflegeberatung in den Kommunen vor Ort gestärkt. Bei der Beratung von Pflegebedürftigen, von Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen werden ab 2017 die Kommunen federführend sein und hier eine zentrale Rolle übernehmen. Damit ist ein Anfang gemacht, weitere Schritte müssen folgen."

  • Angebote zur Unterstützung im Alltag

    Das PSG III schafft für Kommunen die Möglichkeit, sich an Maßnahmen zum Auf- und Ausbau der Angebote zur Unterstützung im Alltag auch in Form von Personal- oder Sachmitteln einzubringen. Diese Angebote zur Unterstützung im Alltag richten sich nicht nur an Pflegebedürftige, sondern auch an deren Angehörige, die dadurch entlastet werden.

  • Löhne bis zur Höhe des Tarifniveaus

    „Künftig können auch nicht-tarifgebundene Einrichtungen in den Pflegesatzverhandlungen mit den Kostenträgern einfacher Löhne bis zur Höhe des Tarifniveaus durchsetzen. Pflegekassen und Sozialhilfeträger müssen diese künftig grundsätzlich als wirtschaftlich anerkennen und entsprechend finanzieren. Die Kostenträger erhalten auf der anderen Seite ein Nachweisrecht, dass die verhandelten Löhne auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankommen. Die Zahlung von tariflicher und kirchenarbeitsrechtlicher Entlohnung muss in Vergütungsverhandlungen bereits vollumfänglich berücksichtigt werden. (wörtlich von der Seite des BMG - Zitat aus der Rede der Ministerin im BR am 16.12.2016: „Vor diesem Hintergrund begrüße ich ausdrücklich die vorgesehene Regelung, dass auch die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe von Tariflöhnen von den Kostenträgern als wirtschaftlich anerkannt werden muss. Ich gehe davon aus, dass dies in Zeiten des Fachkräftemangels insbesondere für nicht-tarifgebundene Pflegeeinrichtungen einen Anreiz setzt, Einzelverhandlungen zu führen, um die Löhne ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis auf Tarifniveau steigern zu können. Um die Auswirkungen dieser Regelungen überprüfen zu können, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Möglichkeit der übertariflichen Bezahlung zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der tarifgebundenen Anbieter führen könnte, halte ich den Entschließungsantrag von Nordrhein-Westfalen für notwendig und Niedersachsen wird diesem zustimmen.")

  • Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Recht der Hilfe zur Pflege

    Wie im SGB XI soll auch im Recht auf Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) und im Bundesversorgungsgesetz (BVG) der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden, damit sichergestellt ist, dass finanziell Bedürftige im Falle der Pflegebedürftigkeit angemessen versorgt werden. „Es ist ein wichtiges sozialpolitisches Anliegen, pflegebedürftige Menschen im Leistungsbezug der Sozialhilfe gegenüber dem neuen Leistungsrecht des SGB XI nicht schlechter zu stellen", sagt Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt.

  • Regelung der Schnittstellenproblematik zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe

    Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im SGB XI gehören auch die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen zum Leistungsbereich der Pflegeversicherung.

    Zugleich regelt das Bundesteilhabegesetz nunmehr klarere und eindeutigere Abgrenzungskriterien zwischen den Leistungen der Eingliederungshilfe und Pflegeleistungen über das von den Ländern vorgeschlagene sogenannte Lebenslagenmodell. Die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung wird danach künftig das Abgrenzungskriterium sein. Vor Erreichen der Regelaltersgrenze gehen Leistungen der Eingliederungshilfe den Pflegeleistungen vor. Pflegeleistungen gehen den Leistungen der Eingliederungshilfe dann vor, wenn erstmals nach Erreichen der Regelaltersgrenze ein Eingliederungshilfebedarf geltend gemacht wird.

  • Maßnahmen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrug in der Pflege

    Die Gesetzliche Krankenversicherung erhält ein systematisches Prüfrecht: Auch Pflegedienste, die ausschließlich Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Auftrag der Krankenkassen erbringen, sollen zukünftig regelmäßig von den Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erfasst werden. Zudem sollen bestehende Instrumente der Qualitätssicherung im Bereich der Pflegeversicherung weiterentwickelt werden. In die Stichproben bei den MDK-Prüfungen von Pflegediensten sollen auch Personen einbezogen werden, die allein Leistungen der häuslichen Krankenpflege erhalten.

    Darüber hinaus soll die Pflegeselbstverwaltung in den Ländern gesetzlich verpflichtet werden, in den Landesrahmenverträgen insbesondere Voraussetzungen für Verträge festzulegen, durch die wirksamer gegen bereits auffällig gewordene Anbieter vorgegangen werden kann. Die Pflegeselbstverwaltung wird zudem verpflichtet, klare Qualitätsstandards für ambulante Wohngruppen zu erarbeiten.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
21.12.2016

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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