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Mündliche Anfrage: „Welche Strategie verfolgt die Landesregierung hinsichtlich der Integration der Mhallamyie-Kurden“

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah und Otto Deppmeyer (CDU) geantwortet


Die Abgeordneten Petra Joumaah und Otto Deppmeyer (CDU) hatten gefragt:

Die Mhallamiye-Kurden kamen zwischen 1975 und 1990 als Kriegsflüchtlinge aus dem Libanon nach Deutschland. In Niedersachsen leben derzeit etwa 2 000 Angehörige dieser Volksgruppe. Wenn in der Presse über Mhallamiye-Kurden berichtet wird, fallen regelmäßig die Begriffe „gewaltbereit“, „organisierte Kriminalität“, „Clanstruktur“ und „Selbstjustiz“. Obwohl sie überwiegend die deutsche Staatsbürgerschaft haben, „stehen sie unserer Gesellschaft mit Ablehnung und großem Misstrauen gegenüber“, wie der Kriminologe Professor Christian Pfeiffer in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 16. Januar 2015 zitiert wird. Der allgemeinen Integrationsentwicklung mit besserer Schulbildung und zurückgehender Kriminalität, wie sie bei anderen Migrantengruppen feststellbar sei, würden sich die Mhallamiye-Kurden verschließen, so Professor Pfeiffer.

In der Presseberichterstattung der HAZ vom 16. Januar 2015 über die Begleitumstände des Todes eines Angehörigen einer in Hameln lebenden Familie der Mhallamiye-Kurden, der wegen eines bewaffneten Raubüberfalls auf eine Tankstelle angeklagt war, wird der Hamelner Polizeisprecher mit den Worten zitiert, „man werde das Gespräch mit dem Clanältesten suchen, um Missverständnisse auszuräumen“.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Hindernisse stehen nach Auffassung der Landesregierung einer umfassenden Partizipation und Teilhabe der in Niedersachsen lebenden Mhallamiye-Kurden entgegen?

2. Gibt es über polizeiliche Kontakte zu Clanältesten hinaus Aktivitäten der Landesregierung, um durch aufsuchende, präventive Maßnahmen das Vertrauen der in Niedersachsen lebenden Mhallamiye-Kurden zu gewinnen und die Clanstrukturen aufzubrechen?

3. Verfolgt die Landesregierung eine Strategie bezüglich der Integration der in Niedersachsen lebenden Mhallamiye-Kurden? Falls ja, welche?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Die Angehörigen der unter dem Namen „Mhallamiye-Kurden“ bekannt gewordenen ethnischen Gruppe stammen ursprünglich aus einem eingrenzbaren Bereich in der heutigen türkischen Provinz Mardin. Im Zuge des Zuendegehens des Osmanischen Reiches nach Ende des 1. Weltkrieges begann deren Emigration in den neu entstehenden Libanon. Während des libanesischen Bürgerkriegs in den 1980er Jahren flüchteten „Mhallamiye-Kurden“ auch nach Deutschland. Aktuell sollen sich etwa 15.000 Mhallamiye in Deutschland aufhalten. Sie verteilen sich hauptsächlich auf den nordwestdeutschen Raum und haben in Berlin (ca. 8.000), Bremen (ca. 2.500), Essen/Ruhr (ca. 2.000) größere „Gemeinden“ gebildet. Es liegen keine Informationen darüber vor, wie viele Mhallamiye sich konkret in Niedersachsen aufhalten. Es dürfte sich jedoch unter Berücksichtigung der vorgenannten Zahlen um maximal 2.000 Personen handeln, die unter anderem in Hannover, Hildesheim, Göttingen, Osnabrück, Braunschweig und Lüneburg leben. Angehörige dieser ethnischen Gruppe sind durch delinquentes Verhalten aufgefallen - zuletzt am 05./06.09.2014 in Lüneburg und am 14.01.2015 in Hameln - und haben entsprechend mediales Interesse gefunden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

In Niedersachsen leben Einwohnerinnen und Einwohner aus der Gruppe der Mhallamiye - Kurden, die bereit und in der Lage sind, sich in die Gesellschaft erfolgreich einzubringen und die die hierfür nötigen Anstrengungen und Handlungsschritte von sich aus unternehmen. Dem gegenüber steht allerdings eine Teilgruppe von Mhallamiye-Kurden, die durch problematisches Verhalten auffällt.

Trotz guter Kenntnisse über die stark ausgeprägten Clan-Strukturen der Mhallamiye-Kurden stellen Mitglieder dieser Bevölkerungsgruppe Polizei, Justiz und Beratungseinrichtungen häufig vor besondere Herausforderungen. Obwohl die Mhallamiye seit circa 30 Jahren in Niedersachsen leben, findet sich ein Großteil dieser Menschen in einer durch große Familienverbände und teils archaisch geprägten Gemeinschaft. Von diesen wird zum Beispiel das deutsche Rechtssystem grundsätzlich abgelehnt und ein Angriff auf ein Familienmitglied wird als Angriff auf die gesamte Großfamilie verstanden und führt zu entsprechend exzessiven Solidarisierungsaktivitäten. Diese Verhaltensweisen haben sich durch die mehrfachen Migrations- und Marginalisierungserfahrungen sowie durch Ab- und Ausgrenzungszumutungen in der Vergangenheit herausgebildet. Diese soziokulturellen Erfahrungen finden bis heute ihren Ausdruck in Abgrenzung, Ablehnung mehrheitsgesellschaftlicher und staatlicher Strukturen. Damit verbunden sind auch eine derzeit häufig fehlende Teilhabe an Bildung und erstem Arbeitsmarkt.

Zu 2. und 3.:

Um Integrationsproblemen und -defiziten wirksam zu begegnen, ist der kontinuierliche Austausch zwischen allen an der Teilhabepolitik beteiligten Institutionen und Dienststellen unerlässlich. Der Zielgruppe, das heißt den sich bisher gesellschaftlicher Integration verschließenden Mhallamiye, wird dabei verdeutlicht, dass unbeschadet der jeweils spezifischen Kompetenzen und Zuständigkeitsgrenzen alle fördernden, helfenden, intervenierenden und repressiv tätigen Akteure in die gleiche Richtung gehen und ein individuelles oder gruppenweises „Ausweichen“ oder gar „Ausspielen“ der Einzelakteure nicht tolerabel ist und dementsprechend auch nicht hingenommen wird.

Hierzu wurden unter anderem Gespräche mit Schlüsselakteuren in den Clans, Vereinen oder Moscheen geführt und niedrigschwellige teilhabeorientierte Angebote unterbreitet. Erwartet wird dabei, dass diejenigen Personen, die in den einzelnen Familienverbünden Autorität besitzen, durch eigenes Tun aktiv zum Gelingen der Integrationsaufgabe in ihrem sozialen Feld beitragen.

Darüber hinaus wird in Niedersachsen kriminellen Mitgliedern aus den Mhallamiye-Familien mit Maßnahmen wie niedrigschwelligem staatlichem Einschreiten, einer sofortigen Einleitung von Ermittlungsverfahren, täterorientierten und deliktsübergreifenden Ermittlungen, der Absicherung von Zeugenaussagen sowie einer Sensibilisierung von Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichten, Behörden und der Öffentlichkeit konsequent begegnet.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.02.2015

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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