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Mündliche Anfrage: Kein Platz mehr in Nazareth?

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage


Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hillgriet Eilers, Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP) geantwortet.

Die Abgeordneten Hillgriet Eilers, Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP) hatten gefragt:

Das Haus Nazareth in Norddeich ist die einzige Clearingstelle für unbegleitete Flüchtlinge unter 18 Jahren in Niedersachsen. Die jungen Leute stammen u. a. aus Syrien, Somalia und Eritrea. Sie sind zum Teil hochgradig traumatisiert.

Einhergehend mit der allgemein gestiegenen Zahl von Flüchtlingen ist Zeitungsberichten zufolge auch die Zahl der im Haus Nazareth untergebrachten Jugendlichen in den letzten Monaten stark angestiegen und wird voraussichtlich weiter ansteigen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hat sich die Belegung des Hauses Nazareth in den letzten zwei Jahren konkret entwickelt, und wie wird sie sich nach Ansicht der Landesregierung in den nächsten zwei Jahren entwickeln?

2. Reicht das aktuelle Platzangebot im Haus Nazareth nach Ansicht der Landesregierung aus, oder ist eine Erweiterung, möglicherweise sogar in Form eines zweiten Standortes, notwendig?

3. Wie unterstützt die Landesregierung das Haus Nazareth in der aktuellen Situation?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) sind die Jugendämter verpflichtet, ausländische Kinder oder Jugendliche in Obhut zu nehmen, wenn diese unbegleitet nach Deutschland kommen und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Wegen des Ausfalls der Sorgeberechtigten haben die Jugendämter den ausländischen Kindern und Jugendlichen Erstversorgung und sozialpädagogische Betreuung zu gewähren. Nach § 42 Abs.1 Satz 2 SGB VIII umfasst die Inobhutnahme die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen (sog. Clearing nach § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII).

Die Aufgaben der Inobhutnahme und des Clearings nehmen die Jugendämter im eigenen Wirkungskreis in kommunaler Selbstverwaltung wahr.

Während die eigentliche Inobhutnahme eine hoheitliche Aufgabe ist, die nur vom Jugendamt in Form eines Verwaltungsaktes ausgesprochen werden darf, können die weiteren Befugnisse und Aufgaben einer Inobhutnahme auf anerkannte Träger der freien Jugendhilfe übertragen werden (§ 76 Abs. 1 SGB VIII). Einer dieser anerkannten Träger der freien Jugendhilfe, die ein Clearingverfahren in ihrem Leistungsangebot haben, ist das Sozialwerk Nazareth e. V.

Das Sozialwerk Nazareth e. V. in Norden-Norddeich hat sich seit Oktober 1977 der Flüchtlingsbetreuung gewidmet, zunächst für die „vietnamesischen Boatpeople“, danach bis Ende der 90iger Jahre als Anlaufstelle für Asylbewerber.

Diese langjährige Tradition hat das Sozialwerk Nazareth e. V. mit der Unterstützung der niedersächsischen Jugendämter während des Inobhutnahme-Zeitraumes unbegleiteter ausländischer Minderjähriger fortgeführt. Von 1993 bis 2005 führte das Sozialwerk Nazareth e. V. auf vertraglicher Basis mit dem Land Niedersachsen das Clearingverfahren als Clearingstelle durch. Der Vertrag mit dem Land Niedersachsen wurde im Jahr 2005 aufgehoben. Das Sozialwerk Nazareth e. V. führt das Clearingverfahren aber weiterhin für belegende niedersächsische Jugendämter im Rahmen der jugendhilferechtlichen Entgeltfinanzierung durch.

Nach der Betriebserlaubnis vom 06.02.2013 verfügt das Sozialwerk Nazareth über 10 Clearingstellenplätze, 26 Plätze für die stationäre Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge nach Abschluss des Clearingverfahrens im Projekt „Internationale Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Nazareth (IKJN)“ sowie 13 Plätze für das Projekt „Mutter/Vater und Kind in der Jugendhilfe“. Nicht belegte Plätze aus dem Projekt IKJN dürfen auch für den Clearingbereich genutzt werden. Darüber hinaus dürfen die Plätze im Clearingbereich im Bedarfsfall mit 4 Plätzen überbelegt werden. Dieses vorausgeschickt beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die Plätze des Clearingstellenbereichs waren in den vergangenen zwei Jahren im Schnitt zu 90 % belegt. Derzeit sind sie zu 100% belegt. Die Plätze zur Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Rahmen der Hilfen zur Erziehung im Projekt IKJN waren in den vergangenen 2 Jahren zu 100 % belegt. Es ist derzeit davon auszugehen, dass die im Sozialwerk Nazareth e. V. zur Verfügung stehenden Plätze auch in den nächsten 2 Jahren belegt sein werden.

Zu 2.:

Das Sozialwerk Nazareth e. V. ist in Gesprächen mit dem Niedersächsischen Landesjugendamt als Betriebserlaubnis erteilender Stelle bezüglich einer behutsamen Erweiterung des Platzangebotes in den nächsten Monaten um sechs bis zehn Plätze. Diese Plätze sollen bedarfsgerecht für den Clearingstellenbereich bzw. das Projekt IKJN eingesetzt werden. Neben dem Sozialwerk Nazareth e. V. bieten auch andere Träger, z. B. im Landkreis Göttingen sowie in der Stadt Hannover, Clearingstellenplätze an bzw. erwägen ebenfalls eine Erweiterung ihres Platzangebotes.

Zu 3.:

Das Sozialwerk Nazareth e. V. wird seitens des Niedersächsischen Landesjugendamtes bezüglich der Erweiterung des Platzangebotes beraten und unterstützt.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.01.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger

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