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Jugendwerkstätten in Gefahr?

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage


Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, Dr. Marco Genthe, Jan-Christoph Oetjen, Gabriela König, Hillgriet Eilers und Christian Grascha (FDP) geantwortet.


Die Abgeordneten Christian Dürr, Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, Dr. Marco Genthe, Jan-Christoph Oetjen, Gabriela König, Hillgriet Eilers und Christian Grascha (FDP) hatten gefragt:

Jugendwerkstätten sind ein wichtiger Baustein im landesweiten Armutsbekämpfungsprogramm. Sie aktivieren junge Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen, um ihnen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen und ihnen die soziale Integration zu ermöglichen.

Jugendwerkstätten werden vorrangig aus ESF und Landesmitteln sowie aus SGB-II-Mitteln über die Jobcenter vor Ort finanziert. Zur Beantragung der SGB-II-Mittel sind bislang die ESF- und Landesmittel Mittel als Kofinanzierung darzustellen.

Für die Jobcenter ergibt sich so eine „vorteilhafte Gelegenheit“, die es ermöglicht, Mittel an die Jugendwerkstätten frei zu vergeben, ohne dass diese sich an einem Ausschreibungsverfahren beteiligen müssen. Die „vorteilhafte Gelegenheit“ besteht darin, dass durch die ESF- und Landesförderung u. a. zusätzliches Personal in den Werkstätten eingesetzt werden kann, um neben der arbeitsmarktrelevanten Betreuung Jugendhilfeleistungen zur gesellschaftlich integrierenden Betreuung von jungen Menschen zu ermöglichen, deren Persönlichkeitsentwicklung und deren Eingliederung in den Arbeitsmarkt gleichermaßen gefährdet sind.

Ohne die Möglichkeit der freien Vergabe kann die politisch angestrebte Chancengleichheit nicht gewahrt werden, da der Preis pro Platz weit über dem Marktpreis regionaler Einkaufszentren liegt.

Nun soll es in Niedersachsen so sein, dass ESF- und SGB-II-Mittel in der neuen Förderperiode nicht mehr kombinierbar sind. Durch diese Auffassung entfällt die vorteilhafte Gelegenheit, die aber zur Beantragung der SGB-II-Mittel benötigt wird. Sollte hier keine Lösung gefunden werden, sind die Jugendwerkstätten spätestens am 1. Juli 2015 in ihrem Bestand gefährdet.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Ist der Landesregierung diese Gefahr für die Jugendwerkstätten bekannt, und wie bewertet sie sie?
  2. Trifft es zu, dass in Bayern bei der Finanzierung der bayerischen Jugendwerkstätten die Kofinanzierung von ESF- und SGB-II-Mitteln weiterhin zugelassen wird - das Verfahren also noch möglich ist - und wenn ja, warum handelt Niedersachsen hier anders?
  3. Sofern die Landesregierung die Kofinanzierung weiterhin nicht zulassen will oder kann, plant sie anderweitige Maßnahmen, um die entstehenden Nachteile auszugleichen, und, wenn ja, welche?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Die Förderung der Jugendwerkstätten wird auch künftig ein Schwerpunkt in der Förderung durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) sein und soll ab Juli 2015 fortgesetzt werden. Vorrangig wird die ESF-Förderung ergänzt aus Landesmitteln, die für die Erfüllung von Jugendhilfeaufgaben zur Verfügung gestellt werden. Obwohl die ESF-Mittel in der neuen Förderperiode stark rückläufig sind, wird bei den Jugendwerkstätten davon ausgegangen, dass die Höhe der ESF- und Landesförderung auch künftig konstant bleiben kann. Dies liegt u.a. daran, dass EU-Mittel aus der alten Förderperiode bis Mitte 2015 genutzt werden können.

Jugendwerkstätten arbeiten an der Schnittstelle von Jugendhilfe und Arbeitsmarktförderung. In Jugendwerkstätten sollen junge erwerbslose Menschen mit Eingliederungshemmnissen und besonderem sozialpädagogischen Förderbedarf, bei denen ein direkter Übergang in den Arbeits- oder Ausbildungsmarkt nicht zu erwarten ist, durch arbeitsmarktorientierte Qualifizierung, Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, Beratung, Bildung, persönliche Stabilisierung, soziale Integration und Bewältigung individueller Probleme auf Ausbildung, Beruf oder Angebote der beruflichen Integration nach dem SGB II und dem SGB III vorbereitet werden. Um diese Ziele zu erreichen, ist es sinnvoll, dass die Leistungen der Arbeitsmarkförderung parallel mit den Leistungen der Jugendhilfe erbracht werden.

Es ist jedoch nicht zutreffend, dass die Landes- und ESF-Mittel zur Kofinanzierung von Maßnahmen der Jobcenter genutzt werden dürfen, um im Ausschreibungsverfahren der Jobcenter einen Vorteil gegenüber anderen Anbietern zu erwirken. Vielmehr handelt es sich bei den Leistungen, die mit Landes- und ESF- Mitteln in Jugendwerkstätten finanziert werden, um eigenständige Qualifizierungs- und Integrationsangebote, die darauf abzielen, soziale Ausgrenzung zu vermeiden, problematische Lebenslagen zu verbessern und damit zu einer persönlichen Stabilisierung von benachteiligten jungen Menschen beizutragen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

In Jugendwerkstätten werden seit langem Leistungen aus unterschiedlichen Rechtskreisen angeboten, ohne dass es zu Abgrenzungsproblemen kam. Die besondere Ausschreibungsproblematik der Jobcenter entstand erst im Jahr 2012. Damals war durch die Einführung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt eine Klärung der Zuständigkeiten für die Leistungen der Jugendwerkstätten erforderlich geworden. Eine Arbeitsgruppe unter gemeinsamer Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellungerarbeitete daraufhin Lösungsmöglichkeiten zur Finanzierung der Jugendwerkstätten.

Der von der Arbeitsgruppe aufgezeigte Weg sieht vor, dass sich die Leistungen der Jugendhilfe und der Arbeitsmarktförderung zu einer sinnvollen Maßnahme ergänzen sollen. Erforderlich ist aber, dass die Finanzierung der unterschiedlichen gesetzlichen Leistungen den jeweiligen Kostenträgern zugeordnet werden kann. Die erforderliche Abgrenzung ist begründet durch den Nachrang des Achtens Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe) gegenüber Leistungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II - Grundsicherung für Arbeitssuchende) und der Zusätzlichkeit von Förderungen durch den Europäischen Sozialfonds.

An diesem Sachstand aus dem Jahr 2012 hat sich nichts geändert. Insofern ist die finanzielle Abgrenzung unterschiedlicher Sozialleistungen nicht neu. Auch ist die Notwendigkeit einer Abgrenzung der Leistungen von SGB VIII und SGB II/ SGB III (Arbeitsförderrecht) unabhängig von dem neuen Finanzierungsmodell der Jugendwerkstätten zu betrachten. Alle Jugendwerkstätten, Jobcenter und Kommunen wurden über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe informiert.

Zu 2.:

Die inhaltliche Ausgestaltung und die Finanzierung der Jugendwerkstätten in Bayern sind mit denen in Niedersachsen nicht direkt vergleichbar. Aber auch in Bayern wird der Nachrang der Jugendhilfe (SGB VIII) gegenüber den Leistungen des SGB II und SGB III beachtet. Vorrangig zuständig für die berufliche Integration junger Menschen sind die Agenturen für Arbeit und die Träger der Grundsicherung mit den Instrumentarien des SGB III bzw. des SGB II. Die Jugendwerkstätten in Bayern werden mit ihren Leistungen der Jugendhilfe erst tätig, wenn die Angebote der Agenturen für Arbeit bzw. der Träger der Grundsicherung nicht ausreichend sind.

Zu 3.:

Die Maßnahmen nach § 16 SGB II in Verbindung mit Leistungen des SGB III werden nach Vergaberecht ausgeschrieben. Es wäre unzulässig, mit ESF- oder Landesmitteln in den Wettbewerb der Anbieter einzugreifen. Die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit hat zur Finanzierung der SGB II-Leistungen aber bekräftigt, dass die im Jahr 2012 erarbeiteten Lösungen auch für die neue Jugendwerkstattrichtlinie weiter Bestand haben und Jugendwerkstätten durch ihre Jugendhilfeleistungen gegenüber anderen Anbietern ein Alleinstellungsmerkmal haben, das eine freihändige Vergabe rechtfertigt.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.02.2015

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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