Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung Niedersachsen klar Logo

"Gefährdet das Mindestlohngesetz inklusive und quartiersbezogene Angebote für Menschen mit Behinderungen?"

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage


Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage des Abgeordneten Burkhard Jasper (CDU)geantwortet.

Der Abgeordnete Burkhard Jasper (CDU) hatte gefragt:

In den letzten Jahren wurde für Menschen mit Behinderungen der Ausbau von dezentralen, kleinteiligen Wohnformen vorangetrieben, die die bisherigen Groß- und Komplexeinrichtungen ergänzen. Nach Angaben der Träger hat nun aber das Mindestlohngesetz zu Regelungslücken und Rechtsunsicherheiten geführt, weshalb diese inklusiven und quartiersbezogenen Angebote gefährdet seien. Massive Konflikte mit dem Mindestlohngesetz ergäben sich insbesondere in den familienanalogen Hilfen. Dieses Konzept sehe keine Schichtdienstmodelle vor. Vielmehr lebten die Mitarbeitenden mit den Klienten in familiären Strukturen zusammen. Eine Dokumentation der Arbeitszeiten sei insofern praxisfern. Da aber im Gegensatz zum Arbeitszeitgesetz beim Mindestlohngesetz keine Sonderregelungen geschaffen wurden, müsse die zu vergütende Arbeitszeit mit 365 Tagen und 24 Stunden je Tag mit dem Mindestlohn berechnet werden.

Ein weiteres Problemfeld seien die sogenannten Nachtbereitschaften in kleinen, sozialräumlichen Wohngemeinschaften der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie. Da das Mindestlohngesetz die gesamte Anwesenheitszeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit werte, komme es unter Berücksichtigung dieser Fallkonstellation oft zu einer Unterschreitung des Mindestlohns.

1. Wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die in den Arbeitsvertragsrichtlinien und Tarifverträgen zugrunde gelegte wöchentliche Arbeitszeit der Mitarbeitenden in den familienanalogen Hilfen auch die Bemessungsgrundlage der Mindestlohnberechnung ist?

2. Hält die Landesregierung es für ein akzeptables Vorgehen, wenn die in den Arbeitsvertragsrichtlinien und Tarifverträgen vereinbarten Zeitanteile einer Nachtbereitschaft als Bemessungsgrundlage für den Mindestlohn definiert werden?

3. Wird die Landesregierung, sofern sie die in den beiden vorhergehenden Fragen aufgezeigten Lösungsvorschläge nicht unterstützen will, eine Refinanzierung des Personalkostenanstiegs sicherstellen?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Zu 1.:

Der Gesetzgeber hat die spezifischen Erfordernisse und Bedingungen der familienanalogen Hilfe gewürdigt und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und diese eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen, vom Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen (§18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG). Er hat damit anerkannt, dass hier eine besondere Situation gegeben ist, die sich herkömmlicher Erfassung und Beurteilung entzieht. Die Zugrundelegung einer fiktiven Arbeitszeit bei der Anwendung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) ist nach Auffassung der Landesregierung in gedanklicher Weiterführung der Regelungen des ArbZG in diesem Sonderfall nicht zu beanstanden.

Zu 2.:

Nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung sind Nachtbereitschaften Arbeitszeit, sei es in Gestalt von Arbeitsbereitschaft oder von Bereitschaftsdienst und daher grundsätzlich vergütungspflichtig. Zu der Frage, wie bei einer vertraglichen Vereinbarung von „Voll-“Arbeit und Bereitschaftsdienst zu prüfen ist, ob der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird, hat das Arbeitsgericht Aachen zwei Entscheidungen getroffen (Urteil vom 21.04.2015, 1 Ca 448/15 h und vom 25.08.2015, 3 Ca 466/15 h). Nach seinem Urteil für ein Arbeitsverhältnis, dem der TVöD zugrunde lag, gilt, dass bei der Zahlung einer Vergütung für eine Leistung, die sowohl eine „Voll-“Arbeit als auch Bereitschaftsdienst umfasst, der Mindestlohnverpflichtung dann genügt ist, wenn die vereinbarte Gesamtvergütung geteilt durch die insgesamt für beide Dienstarten zu leistende Arbeitszeit die Einhaltung von 8,50 € / Stunde ergibt. Diese Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Köln bestätigt (Urteil vom 15.10.2015, 8 Sa 540/15).

Demnach ist anhand der jeweils einschlägigen arbeitsvertraglichen Regelungen zu entscheiden, ob der Mindestlohn eingehalten ist. Auf die Gestaltung und Umsetzung von Arbeitsvertragsrichtlinien und Tarifverträgen nimmt die Landesregierung keinen Einfluss.

Zu 3.:

Zunächst wird auf die Antworten zu den Fragen 1. und 2. verwiesen. Darüber hinaus weist die Landesregierung darauf hin, dass in Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung die Kosten des betreuenden Personals Bestandteil der Kalkulation der nach § 76 Absatz 2 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu vereinbarenden Maßnahmepauschalen sind. Bislang liegen dem Land als überörtlichem Träger der Sozialhilfe und Vertragspartei im Sinne des § 76 SGB XII keine Aufforderungen von Einrichtungsträgern zu Neuverhandlungen der vereinbarten Maßnahmepauschalen vor, die mit Auswirkungen des MiLoG begründet sind.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.04.2016

Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln