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Cannabisanbau: Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage, Landtagssitzung am 13.05.15

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung


Die Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, Christian Dürr, Hermann Grupe, Jan-Christoph Oetjen und Jörg Bode (FDP) hatten gefragt

Cannabis-Produkte dürfen verschrieben und verabreicht werden. Unter bestimmten Voraussetzungen darf Hanf sogar selbst angebaut werden. Fraglich ist allerdings, ob die Möglichkeit des Eigenanbaus für alle Patientinnen und Patienten der beste Weg ist. Hier wird vielfach die Auffassung vertreten, dass auch erlaubt werden sollte, den Anbau an einen lizensierten Dienstleister weiterzugeben.

Da dies momentan noch nicht möglich ist, sind einige Patientinnen und Patienten derzeit auf Importe aus anderen Ländern angewiesen, wobei festzustellen ist, dass die Bundesregierung sich, eigenen Angaben zufolge, bislang ausschließlich auf Importe aus den Niederlanden verlässt.

1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Eigenanbau von Cannabis für Patientinnen und Patienten möglicherweise nicht in allen Fällen zu einem aus medizinischer Sicht brauchbaren Produkt führt, und, wenn ja, plant sie Maßnahmen, um die medizinische Qualität im Bereich des Eigenanbaus zu verbessern?

2.Inwiefern hat die Tatsache, dass Medizinalcannabis in jedem Einzelfall aus dem Ausland importiert werden muss, Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und - soweit eine Einschätzung möglich ist - auf den Preis des Produktes?

3.Wie beurteilt die Landesregierung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Inländerdiskriminierung, die Vereinbarkeit eines Anbauverbots für (gegebenenfalls lizensierte) deutsche Anbieter mit deutschem und europäischem Recht?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Der Verkehr mit Betäubungsmitteln ist im Betäubungsmittelgesetz und den dazu erlassenen Verordnungen geregelt. Daraus ergeben sich die Aufgaben der Bundesopiumstelle (BOPST) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die BOPST hat u.a. folgende Aufgaben:

  • die Erteilung von Erlaubnissen zur Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr,

  • die Erteilung von Ein- und Ausfuhrgenehmigungen für Betäubungsmittel

  • die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs u.a. bei Anbauern.

    In der Bundestagsdrucksache 18/4539 gibt die Bundesregierung ausführlich Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die LINKE (BT-Drs. 18/4315) zum Thema „Angekündigte Erleichterungen bei der Behandlung mit Cannabis als Medizin“. Darin begrüßt die Bundesregierung alle Maßnahmen, die zu einer stärkeren Evidenzbasierung und Weiterentwicklung der Qualitätssicherung von alternativen Behandlungsmethoden beitragen. Die Bedingungen, unter denen Cannabis zu medizinischen Zwecken angewendet wird, sollen zeitnah so angepasst werden, dass solche Patientinnen und Patienten, denen erwiesenermaßen nur durch Medizinalhanf geholfen werden kann, in dem erforderlichen Umfang versorgt werden können. Dazu gehört auch die Frage einer Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).

    Oberster Grundsatz ist die Beachtung des Patientenschutzes.

    Mit dem Selbstanbau von Cannabis-Produkten bzw. Medizinalhanf werden die apotheken- und arzneimittelrechtlichen Vorschriften / Vorgaben nicht eingehalten. Mit einem Mangel an Qualität muss gerechnet werden, die medizinische Betreuung der Selbsttherapierenden ist stark erschwert und eine Schädigung der Patientinnen und Patienten durch Verunreinigungen, Schädlinge (Pilzbefall etc.), Über- und Unterdosierungen kann nicht ausgeschlossen werden.

Zu 1.:

Das aus dem Eigenanbau gewonnene Cannabisprodukt wird keiner Qualitätskontrolle unterzogen. Somit liegen keine Erkenntnisse zu den für Arzneimittel geforderten Parametern wie Identität, Reinheit und Gehalt vor. Eigenangebauter Cannabis ist kein standardisiertes und qualitätsgesichertes Arzneimittel, das unter Beachtung arzneimittel- und apothekenrechtlichen Vorgaben hergestellt wird. Im Gegensatz zu Medizinal-Cannabis genügen selbst angebaute Cannabisprodukte keinerlei Qualitätskriterien. Aus pharmazeutischer und medizinischer Sicht ist es nicht vertretbar, dass sich Patientinnen und Patienten mit nicht in pharmazeutisch gesicherten Standardverfahren, sondern im eigenen Umfeld selbst hergestellten Arzneimitteln unbekannter Qualität selbst therapieren. Eine Selbstschädigung der Patientinnen und Patienten wäre nicht auszuschließen. Auch die Begleitung und Betreuung der Selbsttherapie durch Ärztinnen oder Ärzte wäre erschwert.

Die hohen Standards für gesicherte Arzneimittel können in der Regel nur von Apotheken und der Industrie eingehalten werden. Im Bereich des Selbstanbaus sind diese Anforderungen nicht zu erfüllen.

Zu 2.:

Die von deutschen Großhändlern bestellten und vom BfArM zur Einfuhr genehmigten Mengen an Medizinal-Cannabisblüten konnten in verschiedenen Zeiträumen von den Niederlanden nicht in vollem Umfang bereitgestellt werden. Da es sich bei Medizinalcannabis um ein Naturprodukt handelt, hängt dessen Verfügbarkeit von Anbau und Ernte ab. Um Versorgungsengpässe zu verhindern, müssten Anbau- und Produktionskapazitäten angepasst werden - sowohl im Inland als auch im Ausland, aus dem importiert wird. Zudem unterliegen Pflanzenprodukte natürlichen Schwankungen im Wirkstoffgehalt, so dass nicht allein die Erntemenge entscheidend ist, sondern ebenso deren Qualität.

Eine Einschätzung des Preises von Medizinalcannabis aus dem Ausland zum Preis von im Inland angebautem Cannabis ist nicht möglich, da die Voraussetzungen zur Produktion in Deutschland nicht gegeben sind.

Zu 3.:

Nach dem Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe muss ein Vertragsstaat, der den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken gestattet, eine Stelle einrichten, an die alle Anbauer die gesamte Ernte abzuliefern haben. Diese Stelle muss die geernteten Mengen aufkaufen und körperlich in Besitz nehmen (sog. Cannabisagentur, Artikel 23 in Verbindung mit Artikel 28 des Übereinkommens). Das Bundesministerium für Gesundheit beobachtet die Versorgungssituation sorgfältig und prüft den eventuellen Handlungsbedarf.

Das strafbewehrte Anbauverbot von Cannabis ist gesundheitspolitisch (Suchtprävention) begründet. Die Festlegung von Anbauverboten aus Gründen der gesundheitlichen Risikoabwehr ist nach der Kompetenzordnung des EU-Vertrages den Mitgliedstaaten überlassen. Weder stellt sich die Frage einer möglichen Unvereinbarkeit mit europäischem Recht noch die evtl. Problematik einer Inländerdiskriminierung. Das Anbauverbot in Deutschland sowie das Einfuhrverbot nach Deutschland gilt auch für ausländische Anbieter.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.05.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger

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