Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung Niedersachsen klar Logo

"#ausnahmslos Defizite beim Thema Gleichstellung?"

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage


Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah (CDU) geantwortet.

Die Abgeordnete Petra Joumaah (CDU) hatte gefragt:

Niedersachsen hat 2016 den Vorsitz der 26. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (26. GFMK) inne. Auf Initiative Niedersachsens soll sich die Konferenz u. a. mit der Frage befassen, wie das Thema Gleichstellung als Wert unserer Gesellschaft in Integrations- und Sprachkursen für Flüchtlinge deutlich aufgewertet werden kann.

Generell müssten aber „alle Menschen - mit Zuwanderungsgeschichte genauso wie Menschen mit deutscher Herkunft - wissen, dass die Gleichstellung der Geschlechter und der respektvolle Umgang miteinander in Deutschland unabdingbare Voraussetzung des gesellschaftlichen Lebens sind“, so Ministerin Rundt in ihrer Pressemitteilung vom 15. Januar 2016 zur Übernahme des Vorsitzes der 26. GFMK.

1. Welche Defizite sieht die Landesregierung beim Thema Gleichstellung in den Integrations- und Sprachkursen für Flüchtlinge?

2. Welche konkreten Vorstellungen hat die Landesregierung, um das Thema Gleichstellung in den Integrations- und Sprachkursen für Flüchtlinge aufzuwerten?

3. Wie will die Landesregierung gegebenenfalls aus ihrer Sicht vorhandene Defizite beim Thema Gleichstellung bei Menschen beseitigen?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Zu 1.:

Im Orientierungskurs der bundesweit einheitlich durchgeführten Integrationskurse werden Alltagswissen sowie Kenntnisse über Rechtsordnung, Geschichte und Kultur in Deutschland vermittelt. Gemäß dem Integrationskurskonzept soll zwar auf die Kenntnisse der Gleichberechtigung besonderer Wert gelegt werden, das Thema findet sich in der Themenauflistung jedoch nicht als explizit genanntes Feld wieder. Viele der derzeit neu zuwandernden Menschen reisen aus Herkunftsstaaten ein, deren Strukturen patriarchalisch geprägt und weit von einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern entfernt sind. Es muss daher sichergestellt werden, dass die Menschen dazu angehalten werden, sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu öffnen und sie darin bestärkt werden, ein Leben in Freiheit und Gleichheit anzustreben.

Geflüchtete Frauen partizipieren nach ersten Erkenntnissen bisher nur in geringem Umfang an konkreten Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Erwerbstätigkeit. Auch bei der Teilnahme an ersten Sprachkursen gibt es Hinweise, dass Frauen seltener beteiligt sind, bzw. aufgrund von fehlender Kinderbetreuung, in Ermangelung von Teilzeitkursen oder aus kulturellen Gründen Kurse abbrechen müssen. Es mangelt hier jedoch an einer umfassenden Statistik mit verlässlichen geschlechtsspezifischen Teilnahme- und Verbleibezahlen der verschiedenen Anbieter.

Damit Frauen beim Spracherwerb und im Hinblick auf ihre Kompetenzen und Potentiale für eine spätere Erwerbstätigkeit nicht dauerhaft ins Hintertreffen geraten, müssen die besonderen Bedarfe weiblicher Flüchtlinge bei allen Angeboten berücksichtigt werden.

Um die zeitnahe Teilnahme an den Kursen zu verbessern, sollten Vorbehalte bei Personen mit Zuwanderungsgeschichte abgebaut werden, ihre Kinder in die Obhut von (kommunalen) Betreuungseinrichtungen zu geben. Dafür sollten stärker Erzieherinnen und Erzieher ihres Kulturkreises eingebunden werden.

Individuelle Beratungsangebote sollten den Frauen den Nutzen von Bildung und Erwerb deutscher Sprachkenntnisse den Frauen vermitteln, um die Motivation für die Teilnahme zu steigern.

Zu 2.:

Die nach der Integrationskursverordnung angebotenen Integrations- und Sprachkurse liegen im Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), wobei die Durchführung durch zugelassene Träger erfolgt.

Die Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister sowie Senatorinnen und Senatoren (IntMK) 2016 fordert eine erneute Evaluierung und Überarbeitung des Integrationskonzeptes des Bundes. Es gilt zu überprüfen, ob die Stellung der Frau in Deutschland ausreichend thematisiert wird.

Um die Teilnahme an den Kursen insbesondere von Frauen zu erhöhen, ist eine verlässliche Kinderbetreuung sicherzustellen (siehe dazu auch Antwort zu Frage 1).

Auch zur diesjährigen GFMK wird Niedersachsen Anträge zu dem Thema einbringen. So soll z. B. die Bundesregierung aufgefordert werden, das Integrationskurskonzept dahingehend anzupassen, dass in den Kursen eine vertiefte Vermittlung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG Abs. 2 erfolgt. Es wird erbeten, in den Orientierungskursen das Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau als separat und intensiv zu behandelnden Punkt aufzunehmen. Außerdem soll die GFMK die BA und das BAMF auffordern, sicher zu stellen, dass erwerbsfähige weibliche Flüchtlinge mindestens entsprechend ihres Anteils an der Gesamtzahl der Flüchtlinge an Sprachförder-, Kompetenzfeststellungs- und beruflichen Eingliederungsmaßnahmen teilnehmen können.

Zu 3.:

Das Grundgesetz wie die Niedersächsische Verfassung verpflichten das Land Niedersachsen, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu verwirklichen. Dazu gehört auch, in der Öffentlichkeit immer wieder dafür zu werben, dass Frauen und Männer als gleichberechtigt wahrgenommen und anerkannt werden und dass sie gleiche Chancen haben müssen, ihren Lebensentwurf zu verwirklichen. Diese Aufgabe hat die Landesregierung – wie auch ihre Vorgänger – selbstverständlich wahrgenommen, durchaus mit Erfolg, wie die Auswertung von Jugendstudien zum Gleichstellungsbewusstsein von Jugendlichen zeigen. Trotzdem gibt es für Frauen wie für Männer nach wie vor Situationen, bei denen herkömmliches Verständnis für Geschlechterrollen ihnen den Zugang zu der Verwirklichung ihres Lebensentwurfs erschwert, etwa weil Frauen beim Zugang zu technischen Berufen oder Männer beim Zugang zu Erziehungsberufen auf Vorbehalte stoßen.

Die Gleichstellungspolitik der Landesregierung dient insgesamt – wie von der Verfassung vorgegeben – dem Ziel, Defizite in der Gleichstellung abzubauen. Dies geschieht durch eine Reihe von Maßnahmen. Genannt seien hier nur die in Vorbereitung befindliche Novelle des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes, die es Frauen im niedersächsischen öffentlichen Dienst erleichtern soll, in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, stärker Fuß zu fassen, und die spezifischen Arbeitsmarktprogramme für Frauen wie FIFA und Ko-Stellen. Als Vorsitzland der GFMK wird Niedersachsen ausdrücklich thematisieren, wie die Vorstellungen junger Menschen von einem gleichberechtigten Leben besser in die Tat umgesetzt werden können.

Das Thema „Gleichberechtigung“ ist nicht nur in Niedersachsen derzeit besonders im Fokus. Rollenbilder und -erwartungen der derzeit neu in Deutschland ankommenden Menschen unterscheiden sich häufig von denen der europäischen bzw. deutschen Gesellschaft. Um diesen Menschen eine bessere Integration in unsere Gesellschaft zu ermöglichen, muss sowohl den Männern als auch den Frauen verdeutlicht werden, dass sie hier in Deutschland gleichberechtigt leben und handeln dürfen.

Darüber hinaus wird es eine neue Schwerpunktsetzung im Rahmen des seit Jahren unter verschiedenen Themenschwerpunkten mit kommunalen Gleichstellungsbeauftragten durchgeführten Aktionsprogramms geben. Nach Ablauf des derzeitigen Programms unter der Themensetzung „Demografischer Wandel“ zum Ende des Jahres 2016, soll ein Folgeprogramm insbesondere unter Bezugnahme auf die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Zuwanderung gesetzt werden.

Auch hat Niedersachsen Ende vergangenen Jahres die Bundesländer-AG „Gleichberechtigung im Kontext der Flüchtlingsbewegung“ eingerichtet, um gemeinsam Problemstellungen zu eruieren und in einen Erfahrungsaustausch treten zu können. Bedarfe sollen ermittelt und nach Möglichkeit Synergieeffekte bei der Entwicklung von Maßnahmen erzielt werden. Zu den Sitzungen werden je nach Themenschwerpunkt auch Akteure auf Bundesebene wie das BMFSFJ, das BAMF oder die BA eingeladen.

Weiterhin fördert das Sozialministerium die Professionalisierung der Migrantenorganisationen; im Rahmen der Qualifizierung ist der Genderaspekt in Fortbildungsangebote und in die Beratung zu Veränderungsprozessen implementiert. Die institutionell geförderten Migrantenorganisationen haben dafür zu sorgen, dass in ihren Tätigkeiten und in ihrer Organisation die Strategie des Gender Mainstreaming berücksichtigt wird.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.04.2016

Ansprechpartner/in:
Frau Heinke Traeger

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln