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Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage: "Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in Niedersachsen"

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt hat namens der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, Christian Dürr und Dr. Gero Hocker (FDP) geantwortet.

Die Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, Christian Dürr und Dr. Gero Hocker (FDP) hatten gefragt:

Bezüglich kaum einer Diagnose wird mehr Kritik geäußert als gegenüber ADHS, und über kaum eine Krankheit wird mehr diskutiert, obwohl es ihre Auswirkungen - also den Zappelphilipp oder den Klassenclown - schon immer gab. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Stück „Der Tolpatsch“, in dem Molière schon 1655 ADHS beschrieb.

Die Skepsis gegenüber ADHS resultiert zu einem guten Teil aus der Vielzahl der Diagnosen. Anfang 2013 veröffentlichte die Barmer GEK Krankenkasse einen (nicht repräsentativen) Bericht, dem zufolge die Zahl der zwischen 2006 und 2011 diagnostizierten ADHS-Fälle um 42 % gestiegen ist. Dieser Bericht legte damit nahe, dass die Diagnose ADHS oft zu schnell und damit auch oft fälschlicherweise gestellt wird.

Eine weitere Erkenntnis des Ärztereports der Barmer GEK war, dass sich schon auf Ebene der Bundesländer merkliche Variationen hinsichtlich der Fälle zeigen und dass es auch auf Kreisebene erhebliche Unterschiede gibt.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hat sich die Zahl der Diagnosen in Niedersachsen seit 2006 verändert, gibt es hier neuere Erkenntnisse als den erwähnten Report der Barmer GEK?

2. Wie erklärt sich die Landesregierung den Anstieg im Allgemeinen und (gegebenenfalls) die Unterschiede innerhalb des Landes?

3. Welche Erkenntnisse bezügliche anderer Diagnosen - beispielsweise für die neu in das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder) aufgenommene Diagnose DMDD (Disruptive Mood Dysregulation Disorder) - für „auffällige“ Kinder liegen der Landesregierung vor?

Ministerin Cornelia Rundt beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine psychische Störung, die im Kindesalter erstmals auftritt und auch Erwachsene betreffen kann. In Deutschland leben über eine halbe Million Kinder mit der Diagnose ADHS. Das entspricht fast fünf Prozent der unter 18jährigen. ADHS ist damit heute die häufigste Diagnose bei Kindern und Jugendlichen. Gleichzeitig steigt die Verschreibung von Medikamenten gegen ADHS jedes Jahr an.

Wie bei vielen Erkrankungen sind die Symptome bei den einzelnen Personen unterschiedlich stark ausgeprägt und treten häufig zusammen mit anderen Störungen auf. Insofern ist eine genaue Diagnose insbesondere zur Abgrenzung zu anderen Störungsbildern sehr wichtig, damit es nicht zu Fehldiagnosen kommt.

Der Landesregierung liegen nur Daten zu den stationär aufgenommenen Fällen mit einer ADHS-Diagnose vor. Von daher kann im Folgenden auch nur auf die stationäre Versorgungslage Bezug genommen werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Die ADHS-Diagnosen werden in den Diagnoseschlüsseln F90 und F98.8 erfasst.

Aus den Daten der Patientinnen und Patienten mit ADHS-Diagnosen in der stationären Versorgung für die Jahre 2008 bis 2012 ergeben sich zwar Schwankungen in der Anzahl, aber keine gravierenden Steigerungen.

Verteilung nach ICD4:

2008

2009

2010

2011

2012

F90.0

129

127

156

129

159

F90.1

429

386

435

415

436

F90.8

1

2

5

3

4

F90.9

2

2

0

3

4

F98.8

15

33

27

36

30

Summe

576

550

623

586

633

Neuere Erkenntnisse als die in dem Bericht der Barmer GEK aus 2013 liegen nicht vor.

Zu 2:

Wie sich aus der Tabelle zu Frage 1 ablesen lässt, kommt es in Niedersachsen im stationären Bereich nicht zu einem signifikanten Anstieg von ADHS-Fällen. Im Verhältnis zu den Gesamtzahlen an stationär psychiatrisch behandelten Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen in den Jahren von 2008 bis 2012 ist der Anteil an ADHS-Patientinnen und -Patienten weitgehend gleich geblieben.

2008

2009

2010

2011

2012

Insgesamt ADHS-Fälle

576

550

623

586

633

Stationäre Fälle insg.

7.440

7.410

7.807

8.007

8.682

%-Anteil

7,7%

7,4%

7,9%

7,3%

7,2%

Regionale Unterschiede treten nur bei einzelnen Kommunen auf. Die Ursachen dafür können vielschichtig sein. So haben z. B. Faktoren wie die Anzahl der in den Kommunen lebenden Kinder und Jugendlichen und der Grad der ambulanten Versorgung durch Kinder- und Jugendpsychiaterinnen bzw. Kinder- und Jugendpsychiater bzw. und -psychotherapeutinnen bzw. -psychotherapeuten und entsprechenden Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten einen Einfluss.

Zu 3:

Bei der Diagnose Disruptive Mood Dysregulation Disorder (DMDD) handelt es sich um eine in den USA im Mai 2013 offiziell in den dortigen Katalog für psychische Störungen „DSM-5“ aufgenommene schwere Stimmungsregulationsstörung, die in Europa unter dem Begriff „affektive Dysregulation“ bekannt ist, aber noch nicht als offizielle Diagnose in den hier geltenden ICD-10-SGB V-Katalog aufgenommen wurde. Derzeit werden Kinder und Jugendliche, die von einer „affektiven Dysregulation“ betroffen sind, häufig in den Bereich des Diagnoseschlüssels F90.1, einer Form der ADHS-Diagnose, eingestuft.

In den USA wurden strenge Kriterien für die Diagnose DMDD festgelegt, deren genaue Anwendung zu einer verbesserten Einstufung und damit Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die diese Kriterien erfüllen, führen kann.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
28.03.2014

Ansprechpartner/in:
Uwe Hildebrandt

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